Montag, 27. Oktober 2014

"Californication" (Showtime, USA 2007-2014) (I)

Die letzten Jahre eroberte eine Art Wiedergänger von Bukowskis Alter Ego Henry Chinaski den TV-Bildschirm: Hank Moody. Verkörpert von David Duchovny versucht dieser in der Serie Californication (Showtime, USA 2007-2014) als Schriftsteller in Los Angeles sowohl seine Karriere als auch diverse private Schwierigkeiten in den Griff zu bekommen. Sein Organismus ist hierbei nahezu permanent von Alkohol und anderen Drogen durchtränkt, was im Ganzen seine Probleme eher vergrößert denn verringert. Die Serie liefert also jede Menge zum Nachdenken, beispielhaft möchte ich an dieser Stelle auf die sechste Staffel eingehen, welche Anfang 2013 in den USA ausgestrahlt wurde.
Die Staffel ist insofern interessant, als dass sie zu einer sehr differenten Darstellung des Drogenrausches kommt, wodurch sie sich in Teilen auch von den vorherigen Staffeln abgrenzt. So ist, verkürzt gesagt, gerade der Alkohol nicht nur eine der ältesten Drogen, sondern heutzutage in der westlichen Gesellschaft gleichzeitig sehr weit verbreitet und auch weitestgehend akzeptiert. Dem gegenüber steht das Bewusstsein der Problematik des Alkoholismus sowie die Ächtung in stark islamisch geprägten Ländern. Diese konträren Ansichten durchziehen auch Californication, wobei ich gerade in den frühen Staffel immer etwas das Gefühl habe, dass der Alkohol zwar auf der einen Seite die Probleme des Protagonisten verschärft, also ein tragisches Potential birgt, zugleich im Großen und Ganzen das Leben von Hank jedoch durchaus positiv dargestellt wird. So bleiben zwar seine familären und z.T. auch künstlerischen Krisen als Konstate über die Staffel hinweg erhalten, abseits davon lebt er jedoch ein kurzweiliges, hedonistisches Leben. So wird sein Alltag zumeist glorifiziert dargestellt, er ist ein Frauenheld im Stile Don Giovannis, inszeniert sich als lässiger Rebell gegen den schönen Schein Hollywoods und sein künstlerisches Talent ist zweifellos. Die negativen Momente sind also zumeist Umgeben vom kurzweiligen Leben, was auch als Kritik an Hollywood verstanden werden kann, in dessen Oberflächligkeit der Protagonist sich immer stärker verstrickt.
In diesem Sinne ergeben sich Ähnlichkeiten zu Bukowski: Der Protagonist leidet zwar auch an seinem Alkoholkonsum, gleichzeitig wird dieser aber als Artefakt des Außenseiters dargestellt, als Instrument dem spießen Leben zu entkommen. Der Rausch wird zum Akt des Widerstands, zumindest im Blick des Helden, der die dunklen Seiten resignativ gelassen hinnimmt. Die Darstellung des Rausches partizipiert hier immerzu an tradierten Künstleridealen: Der Rausch wird dem Künstler als Inspirationsmittel gestattet. Dieses verbindet sich dann bei Bukowski und Moody mit dem Motiv des Außenseiters, wird zur Betäubung, um die gesellschaftlichen Zustände zu ertragen und sich ihnen zu entziehen. Aufflackernde Momente wie die Impotenz Chinaskis oder die instabile Familienkonstruktion Moodys werden so zu Vorausdeutungen des tragischen Schicksals, als Bürde der Künstlerexistenz sind sie stoisch zu ertragen; die Frage nach Nüchternheit in letzter Konsequenz nicht denkbar. Diese Inszenierung des Alkoholrausches, wie ich sie in großen Teilen auch in Californication ausmachen würde, erleidet dann aber zu Beginn der sechsten Staffel ihren Schiffbruch:
Abbildung 1: Negative Konsequenzen des Alkoholmissbrauchs Hank Moodys. Quelle: Screenshots aus der sechsten Staffel von "Californication" (Showtime, USA 2007-2014), zusammengestellt von Henrik Wehmeier.
Abbildung 1 zeigt hier beispielhaft den Verfall Moodys, ausgelöst durch seinen ausschweifenden Alkoholismus. Er vernachlässigt seine Hygiene (ausgedrückt durch den Gesichtsausdrucks Charlies), kann sich nicht mehr selbst entkleiden und uriniert statt in die Toilette in eine Flasche, aus der er daraufhin irrtümlich trinkt. Sinnbildlich zeigen die Szenen also den Verfall des Heldens; er ist nicht mehr in der Lage, sein Leben selbstbestimmt zu führen und bewegt sich rasend auf den Untergang zu. Filmisch wird dies unter anderem durch die Köperhaltung Hanks ausgedrückt. Die weiten Einstellungen zeigen seinen ganzen Körper, der niedergeschlagen bzw. stark gekrümmt ist, in jedem Fall haltungslos. Der Versuch, diese körperliche Beugung durch die demonstrative Haltung beim Trinken zu vertuschen, persifliert sich durch den Konsum des eignen Urins selbst. Das Gesicht verzerrt sich, der Körper verliert erneut seine Spannung. Nebenbei bemerkt findet hier auch eine Wechsel der Charaktersierung statt: Ist es sonst in der Serie eher Charlie, der im klassischen Slapstick-Stil als kommödiantischer Gegenpol zum dominanten Hank fungiert, ist es in diesen Szenen Hank, der sich bloß stellt.
Abbildung 2: Hank zu Beginn seines Entzugs. Quelle: Screenshots aus der sechsten Staffel von "Californication" (Showtime, USA 2007-2014), zusammengestellt von Henrik Wehmeier.
Diese Bloßstellung, welche das Image des stoischen Außenseiters abstreift, findet seinen Höhepunkt mit dem Eintritt Hanks in eine Entzugsklinik. In Abbildung 2 erkennt man sein entstelltes Gesicht, dass im Kontrast zu dem vorher immerzu souverän auftretenden Frauenhelden steht, und auch die anschließende Totale präsentiert ihn als verloren. Inmitten einer weißen Umgebung und vor traumhafter Kulisse wirkt er, nur mit einer schwarzen Unterhose begleitet, wie ein Gefallener.
Zu diesem Zeitpunkt sollte also kein Zweifel mehr bestehen, was der Alkohol aus Hank gemacht hat. Inhaltlich ist dieser Niedergang durch die Geschehnisse in der vorherigen Staffel motiviert; Hank fühlt sich moralisch verantwortlich, da er seine Freundin harsch abservierte, deren Obsessivität sie daraufhin in eine fatale Lage führte. Dieser Funktionswandel des Alkoholkonsum könnte auch eine Erklärung für seine abweichende Darstellung sein: War er vorher ein Ausdrucks seines Widerstands gegen die Gesellschaft, wird er hier zum Mittel zur Kompensation des erlittenen Traumas, er verbindet sich also mit einer psychischen Disposition. Diese Erklärung würde dann wieder auf die zuvor beschriebene Inszenierung des Alkohols in Californication zurückweisen: Im Ganzen wird der Alkoholkonsum positiv dargestellt, lediglich in einzelnen Szenen kommt es zur kritischen Reflektion, deren Reichweite jedoch durch den Kurzschluss mit tieferliegenden Problemen stets begrenzt bleibt, in diesem Fall der psychischen Verletztung des Protagonisten.

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