Die Staffel ist insofern interessant, als dass sie zu einer sehr differenten Darstellung des Drogenrausches kommt, wodurch sie sich in Teilen auch von den vorherigen Staffeln abgrenzt. So ist, verkürzt gesagt, gerade der Alkohol nicht nur eine der ältesten Drogen, sondern heutzutage in der westlichen Gesellschaft gleichzeitig sehr weit verbreitet und auch weitestgehend akzeptiert. Dem gegenüber steht das Bewusstsein der Problematik des Alkoholismus sowie die Ächtung in stark islamisch geprägten Ländern. Diese konträren Ansichten durchziehen auch Californication, wobei ich gerade in den frühen Staffel immer etwas das Gefühl habe, dass der Alkohol zwar auf der einen Seite die Probleme des Protagonisten verschärft, also ein tragisches Potential birgt, zugleich im Großen und Ganzen das Leben von Hank jedoch durchaus positiv dargestellt wird. So bleiben zwar seine familären und z.T. auch künstlerischen Krisen als Konstate über die Staffel hinweg erhalten, abseits davon lebt er jedoch ein kurzweiliges, hedonistisches Leben. So wird sein Alltag zumeist glorifiziert dargestellt, er ist ein Frauenheld im Stile Don Giovannis, inszeniert sich als lässiger Rebell gegen den schönen Schein Hollywoods und sein künstlerisches Talent ist zweifellos. Die negativen Momente sind also zumeist Umgeben vom kurzweiligen Leben, was auch als Kritik an Hollywood verstanden werden kann, in dessen Oberflächligkeit der Protagonist sich immer stärker verstrickt.
In diesem Sinne ergeben sich Ähnlichkeiten zu Bukowski: Der Protagonist leidet zwar auch an seinem Alkoholkonsum, gleichzeitig wird dieser aber als Artefakt des Außenseiters dargestellt, als Instrument dem spießen Leben zu entkommen. Der Rausch wird zum Akt des Widerstands, zumindest im Blick des Helden, der die dunklen Seiten resignativ gelassen hinnimmt. Die Darstellung des Rausches partizipiert hier immerzu an tradierten Künstleridealen: Der Rausch wird dem Künstler als Inspirationsmittel gestattet. Dieses verbindet sich dann bei Bukowski und Moody mit dem Motiv des Außenseiters, wird zur Betäubung, um die gesellschaftlichen Zustände zu ertragen und sich ihnen zu entziehen. Aufflackernde Momente wie die Impotenz Chinaskis oder die instabile Familienkonstruktion Moodys werden so zu Vorausdeutungen des tragischen Schicksals, als Bürde der Künstlerexistenz sind sie stoisch zu ertragen; die Frage nach Nüchternheit in letzter Konsequenz nicht denkbar. Diese Inszenierung des Alkoholrausches, wie ich sie in großen Teilen auch in Californication ausmachen würde, erleidet dann aber zu Beginn der sechsten Staffel ihren Schiffbruch:
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Abbildung 2: Hank zu Beginn seines Entzugs. Quelle: Screenshots aus der sechsten Staffel von "Californication" (Showtime, USA 2007-2014), zusammengestellt von Henrik Wehmeier. |
Zu diesem Zeitpunkt sollte also kein Zweifel mehr bestehen, was der Alkohol aus Hank gemacht hat. Inhaltlich ist dieser Niedergang durch die Geschehnisse in der vorherigen Staffel motiviert; Hank fühlt sich moralisch verantwortlich, da er seine Freundin harsch abservierte, deren Obsessivität sie daraufhin in eine fatale Lage führte. Dieser Funktionswandel des Alkoholkonsum könnte auch eine Erklärung für seine abweichende Darstellung sein: War er vorher ein Ausdrucks seines Widerstands gegen die Gesellschaft, wird er hier zum Mittel zur Kompensation des erlittenen Traumas, er verbindet sich also mit einer psychischen Disposition. Diese Erklärung würde dann wieder auf die zuvor beschriebene Inszenierung des Alkohols in Californication zurückweisen: Im Ganzen wird der Alkoholkonsum positiv dargestellt, lediglich in einzelnen Szenen kommt es zur kritischen Reflektion, deren Reichweite jedoch durch den Kurzschluss mit tieferliegenden Problemen stets begrenzt bleibt, in diesem Fall der psychischen Verletztung des Protagonisten.