Sonntag, 18. Januar 2015

"Entourage" (HBO, USA 2004-2011)

Von 2004 bis 2011 wurde in den USA die HBO-Serie Entourage gesendet, die sich - wie der Name schon andeutet - um den aufstrebenden Hollywoodstar Vincent Chase dreht, der versucht mit Hilfe seiner Schulfreunde Eric und Turtle sowie seinem Bruder Drama die Fallstricke und Anforderungen einer Karriere als Filmstar zu meistern. Neben kritischen Anklägen zelebriert die Serie zugleich ausgiebig das hedonistische Leben in Los Angeles. Nicht zuletzt wohl auch dem Bundesland geschuldet sind die vier Freunde in der Serie durchgängig am kiffen und nehmen rege am Nachtleben teil - sie sind also gut integriert in den rauschhaften Alltag Hollywoods. Nur selten wird der Drogenkonsum dabei kritisiert. So gibt es etwa eine Folge, in der Drama vor einem Dreh zuviel Marihuana konsumiert und anschließend eine Panikattacke erleidet. Auch diese Szene ist jedoch wie der Großteil der Serie komödiantisch angelegt.
Tiefergehende Risse erleidet die Darstellung der Vergnügungsgesellschaft jedoch erst kurz vor dem Ende der Serie als die Suchtgefahr übermäßigen Schmerzmittelkonsums in Verbindung mit anderen illegalen Drogen thematisiert wird. In den dazu gehörigen Folgen wird entsprechend die tragische Dimension deutlich hergehoben und tiefergehend nachgezeichnet, wodurch auch in diesen Folgen auch ein Bruch mit komödiantischen Filmstil zu erkennen ist (wie in der ganzen Serie wird auch hier ein scheinbar unumgänglicher 'Meilenstein' einer Schauspielkarriere nachgezeichnet: die Festnahme eines Stars mit Drogenproblem, die medial ausgeschlachtet wird und in dem Aufenthalt in einer luxuriösen Entzugsanstalt mündet, ein Motiv dass u.a. im Beitrag zu Californication bereits eine Rolle spielte).
In diesem Beitrag soll es jedoch um die fünfte Folge aus der fünften Staffel gehen, die den Namen "Tree Trippers" ("Die Reise ins Ich") trägt und 5. Oktober 2008 zum ersten Mal ausgestrahlt wurde. Zu Beginn der Folge stehen die Freunde vor einer schwerwiegenden Entscheidung in Bezug auf Vinces Karriere: Er würde gerne in einem bestimmten Film mitspielen, steht jedoch in Konflikt mit dem produzierenden Studio; alternativ wurde ihm die Hauptrolle in einem Film über einem Hund angeboten, die er an sich aus künstlerischen Gründen ablehnen würde. Gefangen in diesem Dilemma, entscheiden sie, in die 'Wüste' zu fahren (damit ist der Joshua Tree National Park gemeint), um psychedelische Pilze zu konsumieren und so die wahre Entscheidung zu finden. Begleitet werden sie dabei von ihrem Agenten Ari Gold sowie dem befreundeten Eric Roberts.
Abbildung 1: Einnahme der Pilze. Quelle: "Entourage" (HBO, USA 2004-2011). Zusammenstellung von Henrik Wehmeier.
Abb. 1 zeigt die Einnahme der entsprechenden Pilze. Hierbei zögert zumindest Ari einen kurzen Moment und weist auf seine Angst vor Kontrollverlust als Wirkung der Pilze hin. Auf seine Einwände wird allerdings nicht weiter eingegangen, stattdessen fügt er sich dem Gruppendruck und konsumiert auch Pilze. Dem gegenüber stehen die Ausführungen Eric Roberts, der als eine Art Guru inszeniert wird und durch sein expressives Spiel auffällt, dem immerzu ein Moment der Unberechenbarkeit innewohnt. Die Wirkung beginnt dann langsam einzusetzen, wobei der Prozess fast unmerklich vor sich geht, wie auf dem rechten Bild deutlich wird. Die Umgebung wird als menschenverlassene Gegend inszeniert, wozu oft auf Totale zurückgegriffen wird. Die Betitelung als Natur ist jedoch auch interdiegetisch immer schon gebrochen, so ist deutlich ein ironischer Unterton zu hören, ebenso bleibt etwa Aris Handy intakt, es kommt lediglich zu vereinzelten Empfangsstörungen.
Dennoch wird der Ort programmatisch für das Verhalten der Figuren. So stellt der Nationalpark einen Grenzort zwischen Natur und Kultur dar. Auf der einen Seite ist er naturhaft in dem Sinne, als dass er der Umwelt ein Schutzgebiet vor dem Eingriff des Menschen bietet. Auf der anderen Seite ist dieser Naturcharakter jedoch insofern inkonsequent, als dass der Park als solcher klar umgrenzt ist, d.h. im Ganzen der Natur ein freies Wachstum nur innerhalb bestimmter Zonen zugestanden wird. Außerdem steht er natürlich unter dem Einfluss der vom Menschen geprägten, d.h. kultisierten, Umgebung, oftmals soll er sogar die dort betriebenen Naturschäden wie die Verschmutzung der Luft ausgleichen. Er wird nun insofern programmatisch für die Figuren, als dass diese sich auch immer stärker aus konventionalisierten Verhaltensmustern hinausbewegen, diese jedoch zugleich nie gänzlich verlassen.
Abb. 2: Ari zwischen Rausch und Alltag. Quelle: "Entourage" (HBO, USA 2004-2011). Zusammenstellung von Henrik Wehmeier.

Dieses zeichnet sich am deutlichsten in dem Verhalten Aris ab. Fast blitzartig wechsel er zwischen berauschtem und rationalem Zustand. Dieses zeigt sich u.a. in den ersten beiden Bildern von Abb. 2, Ari telefoniert mit seiner Familie und versucht dabei ernsthaft und fokussiert zu bleiben, zwischendurch schweift er aber immer wieder unkontrolliert ab und schaut bspw. fasziniert in die Sonne. Hier zeigt sich auf der einen Seite die starke Wirkung der halluzinogenen Pilze, der Konsument verliert in Teilen die Kontrolle über seine Wahrnehmung und seine Handlungen. Auf der anderen Seite werden hiermit zugleich Aussagen über die Wirkungsweise der Droge gemacht. Das Schauen in die Sonne oder auch die irritierte Betrachtung der eigenen Hände sind Symptome einer deutlich veränderten Verarbeitung der Sinneswahrnehmungen. Konkret scheint in dem Konsumenten eine neue Empfindlichkeit zu entstehen, die sich in einer qualitativen Veränderung der sinnlichen Weltrezeption wie auch in der mangelhaften Selektion dieser Eindrücke widerspiegelt. Diese Überempfindlichkeit zeigt sich dann als Überwältigung, hier taucht also der Konflikt zwischen Natur und Kultur in gewisser Weise wieder hervor. Die extreme Intensität der Weltrezeption kann als eine tendenzielle Symbiose mit der Natur gedeutet werden, der Mensch erkennt die Schönheit der Natur und durchfühlt sie ekstatisch. Dem steht das kulturell tradierte Verhalten gegenüber, welches u.a. durch Selektionsprozesse und Distanznahme die Natur nur unter funktionellen Deutungsmustern wahrnimmt, die so z.B. situativ die Sinneseindrücke quasi ausblenden. Durch die psychoaktive Substanz kommt es bei Ari also zum Wechsel dieser beiden Wahrnehmungsarten, der parodistisch überzeichnet abgebildet wird.
Abb. 3: Überzeichnete Rauschszenen. Quelle: "Entourage" (HBO, USA 2004-2011). Zusammenstellung von Henrik Wehmeier.
Diese kommödiantische Ausrichtung zeigt sich auch in anderen Szenen der Folge. So stellen die ersten beiden Screenshots in Abb. 3 Auszüge aus einer Situation dar, in welcher Drama einen Stein für den Hund der Gruppe hält. Ähnlich kommödiantisch überzeichnet ist die Szene des dritten Bildes, in der Vince den Filmtitel des 'Hundesfilms' immer wieder überbetont ausspricht, um so eine intuitive Entscheidung für oder gegen den Film fällen zu können. Die durchaus auch als negativ wahrnehmbaren Wirkungen wie die Halluzinationen werden dementsprechend auch eher amüsant dargestellt. Diese ironisch überzeichnete Pathetik der Wanderschaft der Protagonisten (auf dem letzten Bild von Abb. 3 sehr deutlich erkennbar etwa in dem blendenden Gegenlicht der Abendsonne) findet erst ganz am Ende der Folge in eine gewisse Ernsthaftigkeit zurück, wenn Vince auf dem Rückweg aus der Wüste eine Art Vision hat und die Entscheidung für einen der Filme fällt. Diese Szene wird damit auch zur Verschmelzung von Kultur und Natur, Nüchternheit und Rausch: die Halluzination tritt im kulturalisierten Gebiet der Straße auf, wodurch sie auch Wirkmacht in dieser Sphäre erhält und so durch ihre entscheidungstragende Bedeutung die Differenz zwischen beiden Welt zumindest für einen Moment außer Kraft setzt. Somit glückt die 'ganzheitliche' Lösung der für die Lebensplanung schwerwiegenden Frage in diesem Sinne.

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