Dienstag, 18. November 2014

"True Detective" (HBO, USA 2014- ) (I)

Anfang dieses Jahres hat die Serie "True Detective" (HBO, USA 2014- ) viel Aufsehen erregt. Sie handelt von der Jagd auf einen Serienmörder durch die Polizisten Rustin „Rust“ Cohle (Matthew McConaughey) und Martin Hart (Woody Harrelson). Sie spielt hierbei zunächst - kurz gesagt - in zwei zeitlichen Ebenen: Auf der einen Seite wird die damalige Jagd auf den Serienmörder präsentiert, auf der anderen Seite sieht man die beiden Polizisten diverse Jahres später in einer Befragung zu dem Ablauf eben dieser Tätersuche. Besonders interessant für das Thema des Rausches ist die Figur Rust, wobei durch die verschiedenen zeitlichen Ebenen gerade seine wechselhafte Drogen- bzw. Suchtkarriere zu Tage kommt. Die Figur wird gleich in den ersten Szenen auffällig eingeführt:
Abbildung 1: Einführung von Rust. Quelle: "True Detective" (HBO, USA 2014- ). Zusammenstellung von Henrik Wehmeier.

Die ersten vier Abbildungen illustrieren den ersten Auftritt Rusts; in dieser Szene erzählt Martin in einer Analepse den ersten Besuch von Rust bei Martins Familie. Auffällig ist, dass man die Figur nur von hinten sieht, anschließend begleitet eine schwankende Kamera den schwankenden Gang der Figur zum Haus. Hierzu erzählt Martin, dass Rust sehr betrunken war und attestiert ihm grundsätzlich einen merkwürdigen Charakter. Hier werden also das Motiv des Außenseiters verbunden mit dem Motiv des Alkoholikers eingeführt. Diese werden dann durch den nächsten Auftritt Rust verstärkt, zu sehen auf den unteren beiden Bildern. Die langen, grauen Haare, der auffällige Bart, die Tätowierungen auf dem Unterarm sowie das Rauchen trotz Rauchverbots unterstützen dieses Bild eines wilden Lebens jenseits normierter gesellschaftlicher Ordnungen. Auffällig auf visueller Ebene ist, dass die Kamera, genau wie bei der Einführung Martins, hier die Optik der diegetischen, minderwertigen Digitalkamera einnimmt, die das Gespräch aufzeichnet. Deutlich zu erkennen ist die Unschärfe am Rand sowie das grobkörnige Bild in Vergleich zu den restlichen Kameraaufnahmen der Serie. Auf der einen Seite erscheint die Kamera durch die simulierte Störung für den Zuschauer dadurch sehr authentisch, als würde es sich bei der Aufnahme um ein reales Artefakt handeln. Auf der anderen Seite bleiben die Figuren in ihrer visuellen Erscheinung so zunächst unscharf und werden mit den hochauflösungen Bildern von ihnen aus dem früheren Zeitstrang konfrontiert; erst später in der Serie wird die Kamera auch in den Verhören die diegetische Kamera und damit die Störungseffekte hinter sich lassen.
Ganz grundsätzlich zeichnet sich die Figur des Rusts durch das markante Schauspiel McConaugheys aus, der der Figur passend zu ihrer inhaltlichen Geschichte einen sehr auffälligen Stil verleiht. Die Figur sticht so innerhalb der Serie als Außenseiter heraus, der ein einsiedlerisches, isoliertes Leben führt und sich auch durch seine Kleidung, seine Haltung etc. inbesondere von seinen Kollegen abgrenzt. Diese verweisen so u.a. immer wieder auf seine Abstammung, da er im Gegensatz zu den anderen aus Texes stammt. Ähnlich auffällig ist der Schauspielstil McConaugheys in Abgrenzung zu der Anlage des Schauspiels der meisten anderen Figuren, auch hier ist der Moment des Bruches und des Abweichens der entscheidende (oberflächlich lassen sich die meisten anderen Schauspielstile als realistisch bis naturalistisch beschreiben).
Erste Andeutungen hierfür zeigen sich in Abb. 1: Man erkennt den starren, stoischen Blick, die versteinerte Mimik und den ausdruckslosen Mund. Diese Ansätze zeichnen sich immer deutlicher sowohl in der Kontrastierung zu den anderen Figuren wie auch zwischen "jüngeren" und "älterem" Rust ab:
Abbildung 2: Gegenüberstellung "junger" und "alter" Rust. Quelle: "True Detective" (HBO, USA 2014- ). Zusammenstellung von Henrik Wehmeier.
Auffällig sind direkt auf den ersten Blick das abweichende Make-Up (Hautstruktur, Haarfarbe, Tätowierung) und die abweichende Kleidung. In dem Schauspiel selbst finden sich verstärkende Konstanten. So fällt die minimale Mimik auf: die Stirn ist faltenlos, der Mund bewegt sich dezent. Ähnlich die Gestik, die schwerfällig, träge agiert und beim "alten" Rust höchstens durch überkontierte Geste auffällig ist. Dieses korrespondiert mit dem starren, stoischen Blick, der sich auch bei Kopfbewegungen nicht verändert. Dieser Blick vollzieht einen sehr eigenen Stil: So schwankt er zwischen starren Blicken, entweder direkt in das Gesicht des Gegenübers oder ins Leere. Gerade die vielen, "zähen" Blicke ins Leere verweisen auf die Introvertiertheit, die Ausrichtung nach Innen der Figur wie auch des Schauspiels. Die (mutmaßlich) vom sehr hohen und regelmäßigen Alkoholkonsum ausgemergelte Haut erscheint fast ledern. Dieses hängt mit der quasi nicht vorhandenen Mimik zusammen, ebenso mit den im Verlauf der Zeit immer hohleren Wangen und immer tiefer hängenden Augenlidern.
Fast wie bei einem Nussknacker öffnet sich der Mund starr nach unten, hervorquillt eine raue Stimme, der Blick bewegungslos alternierend, wobei er gerade bei den zunehmenden Vorträgen immer öfters starr ins Leere geht. Hier zeigt sich eine immer dickere, zähere, trägere Haut, d.h. allgemeiner eine körperliche Ausprägung, die immer schwerfälliger die inneren Geschehnisse nach außen dringen lässt. Sie werden immer mehr absorbiert vom steinern werdenden Äußeren. Nur der Blick und die Stimme dürfen frei agieren, wodurch sich die Aufmerksamkeit auf sie fokussiert; sie werden dominant bedeutungstragend.
Als mögliche Ursache kann das Versinken in sich selber, in die Betäubung des Alkohols angesehen werden. Der Alkoholiker, als ein solcher der "alte" Rust bestimmt werden kann, hat einen beschleunigten körperlichen Verfall, seine Bewegungen werden träger und oft verliert sich sein Blick ganz im dichten Schleier der zunehmenden Ablagerungen des Alkoholrausches. Nur Überakzentuiertes vermag es diesen Schleier zu durchbrechen.
Diesem Verfall steht die scheinbar ungetrübte geistige Fähigkeit Rusts gegenüber. Entscheidend ist hier eben das Spiel, welches Auge und Stimme in der steinernen Maske entfalten können. Wobei gerade der Blick sein Balancieren auf dem Abgrund präsentiert, wenn er zwischen dem leeren Blick, d.h. des Sturzes in sich selbst, und dem zupackenden, beinah krallenden Blick in das Gesicht des Gegenübers schwankt. Die nach Innen Gerichtetheit kann sich dann in ihrer Pathetik auszeichnen, das nach Außengerichtete in der dramatisierten Darbietung (oftmals banaler) sog. Lebensweisheiten, die dem Anderen als bahnbrechende Einsicht präsentiert werden.
Abbildung 3: Rauschzustände "junger" Rust. Quelle: "True Detective" (HBO, USA 2014- ). Zusammenstellung von Henrik Wehmeier.
Der Bick und die Augen werden entsprechend gerade bei "jungen" Rust zum Hauptmerkmal des Rausches. Der Blick sackt endgültig ab, die Augen werden glasig. Hinzu kommen die Signale der zusammen gesackten Haltung in der einen Szene. Filmisch zeigen sich diese Ernsthaftigkeit sowie die Abgründigkeit bereits beim "jungen" Rust durch den unverkennbaren starren Blick sowie die Abbildung des verdunkelten Spiegelbildes seines Gesichts. Der Konsum von Alkohol, wie auch von anderen Drogen, dient also bereits hier der Betäubung. Es geht weniger um die Verstärkung oder auch die Provozierung euphorischer Gefühle, vielmehr erscheint er als abgestumpfte Persönlichkeit, die die Trunksucht keineswegs zelebriert, sondern eher sachlich gelassen vollzieht.
Weiterhin ist auffällig, wie die genannten Aspekte der Ernsthaftigkeit und der minimalen Mimik gerade durch die zeitliche Konfrontation der beiden Zeitebenen ihre Konnotation verändern. Könnte man sie beim "jungen" Rust durchaus noch positiv deuten, als Zeichen von tiefreichender Intelligenz und Weisheit oder auch als Makelosigkeit des Aussehens (ein möglicher Verweis auf das frühere Image McConaugheys), besteht in Anbetracht des "alten" Rusts kein Zweifel mehr, dass sie Vorboten der gegerbten Haut und des Einsiedlertums sind. Sie verweisen auf eine Figur auf den Weg in den Abgrund, deren Körper wie ein steinerner Kokon in immer dunklere Tiefen herab gezogen wird; die Risse, durch welche Stimme und Augen hevorstrahlen sind im Widerschein der Zukünftigkeit keine Auflösungstendenzen dieses Kokons, sondern gnadenvolle Lichtblicke. Der Rausch ist entsprechend kein Ausbruch, nur Stoß nach unten. 

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