Abseits vom Mainstream ist der Drogenrausch natürlich auch in experimentellen Filmen ein Thema, weswegen ich mich in diesem Beitrag mit dem Filmemacher Ben Russel beschäftigen möchte, dessen Produktionen (leider) nur einem kleinen Publikum bekannt sind. Konkret geht es um seinen Kurzfilm "Trypps #7 (Badlands)" (Film weiter unten), der als Nr. 7 zu einer Reihe von filmischen Erkundungen gehört, die zum Teil auf Russels Vimeo Profil abrufbar sind. Russel selbst bezeichnet die Filme dieser Reihe als “an ongoing study in trance, travel, and psychedelic ethnography.” (Quelle). Chris Stults betont entsprechend die wechselseitige Wirkung der Filme untereinander, wenn er in Bezug auf die gemeinsame Ausstellung der ersten sechs Filme schreibt: "While each of the films is a satisfying, highly unified work on its own, when shown together they buttress each other and the heterogeneous films begin to develop a sophisticated and paradoxical argument about what a “trypp” is." (C. Stults: "The Trypps – Short Films by Ben Russell", URL 16.03.2015) Diesem Beitrag ist dadurch immer schon ein Mangel eingeschrieben, da er weder eine konkrete Ausstellungssituation noch die wechselseitige Wirkung der Filme in den Blick nimmt, sondern seinen Blick auf das blanke, einsam dastehende siebte Elemente der Reihe richtet. Zugleich hat der Film in meinen Augen aber nicht zuletzt genug Eigenständigkeit, um auch der singuläre Analyse mehr als ausreichend 'Stoff' zu liefern.
Dass das Thema des Films jedoch der Drogenrausch ist, lässt sich explizit nur durch den Verweis auf die übergeordnete Filmreihe sowie auf Paratexte wie den Titel des Videos bzw. auf seine Beschreibung rechtfertigen. Dennoch gibt es auch innerhalb des Filmes Hinweise, die die Lesart des Drogenrausches nahelegen. Das erste Drittel des Filmes zeigt in einer Nahaufnahme eine junge Frau vor einer Gebirgskulisse, sie blickt während dessen permanent direkt in die Kamera. Durch ihre starre, gleichbleibende Körperhaltung lenkt sich der Blick des Zuschauers so auf die Mimik der Frau, die viele Veränderungen durchläuft und auf Geschehnisse in ihrem Inneren verweist. Sie hält lange ihre Augen geschlossen, öffent sie für einen leeren, versunkenen Blick, dann zeichnet sich immer deutlicher ein Lächeln in ihrem Gesicht ab. Alle diese Vorgänge gebieren sich aber kaum als Spiel mit der Kamera, also mit dem Betrachter, sondern wirken oft selbstbezogen, unterstützt von einem lauten, lange nachhallenden Gong, der an Meditationspraktiken erinnert. Sie scheint sich also mit Vorgängen in ihrem Inneren zu beschäftigen, was deutlich an den Drogenrausch erinnert, dessen Schauplatz das Bewusstsein des Berauschten darstellt.
Dieses offenbart zugleich die Grundparadoxie, die den Film in diesem Zusammenhang interessant macht: Er stellt sich als offene Konfrontation mit seiner Hauptfigur da, er stellt sich ihrem äußeren Ausdruck entgegen und verzichtet so auf die Einnahme ihrer Perspektive, ist in diesem Sinne also radikal objektiv. Dieser letzte Aspekt könnte ein Grund dafür sein, warum diese Filmreihe Russels oft als Reflektion des Mediums Film aufgefasst wird, da der Film immer schon mit der Grundproblematik kämpft, aus 'objektiven' Bildern zu bestehen (diese Behauptung ist sicherlich etwas pauschalisierend, da es auch Versuche der 'subjektiven' Perspektive sowie bspw. auch symbolisch aufgeladene Szenographien als Abbild innerer Bewusstseinszustände und viele weitere Ansätze gibt). Zugleich zeigt sich aber auch schon im Anfang dieses Kurzfilm wie brüchig die Kategorie des Objektiven immer schon ist, da der Zuschauer in meinen Augen mit der Figur hier immer schon mitfühlt, sich in sie hineinversetzt, vielleicht durch Empathie nachzuvollziehen versucht, was in ihr vorgeht, wie die Ausgestaltung ihrer Gefühle ist usw. Unterstützt wird dies durch den Gong, dessen langes Nachhallen eine immersive Wirkung hat, da der Zuschauer hier auditiv in den Film gezogen wird. Zugleich führt diese Reduktion, wie etwa auch die minimale Kamerabewegung, zur größeren Konzentration auf und Einfühlung in die Figur. Ein anderer Aspekt ist, dass durch den Blick frontal in die Kamera auch die Distanz infrage gestellt wird, da die Figur den Zuschauer gewissermaßen zurück anblickt, sie fokussiert ihn genau wie er sie fokussiert.
Kurz darauf kommt es zum Bruch im Film, wodurch die Frage der Wahrnehmung endgültig in den Mittelpunkt rückt. Die Bild beginnt sich nach unten und oben zu bewegen, es sieht aus, als würde sich das Kameraobjektiv heben und senken. Dieser Zwischenzustand wird so zum Schwellenzustand der objektiven Bilder, da angekommen werden kann, dass die Kamera nun mehr die Wahrnehmung der (mutmaßlich) berauschten Figur nachzubilden beginnt. Diese Bewegung mündet dann in ein Überschlagen des Bildes, wodurch sich auch die Ursache und die Grundkonstellation des Filmes offenbart: Gefilmt wurde nicht die Figur direkt, sondern ihre Spiegelung auf einem doppelseitigen Drehspiegel, der nun immer schneller in Bewegung gesetzt wird. Begleitet wird der Vorgang von häufigeren Glockenschlägen, deren Nachhall immer mehr zu einem Dröhnen wird.
Es kommt also zur Irritation des Zuschauers, im Stile einer Enthüllung offenbart sich das illusionistische Bild nur als Spiegelung. Aber auch das Bild selbst muss den Zuschauer irritieren, überschlägt es sich doch regelrecht und konfrontiert ihn mit einer Flut ungewohnter Blickperspektiven. Versteckt wird die Irritation gegen Ende hin durch verschiedene Zooms und Effekten wie z.B. der Überbelichtung. Der Film endet in einer Weißblende, mit der er auch begann, hier schließt sich also der Kreis.
Der Film als Ganzes löst so in meinen Augen eine Reihe von Assoziationen aus, die sich auf der einen Seite auf das filmische Medium selbst sowie auf der anderen auf die Darstellung des Rauschzustandes beziehen. Der Spiegel wird im Film selbst eingeführt, er kann metaphorisch auf beide Aspekte bezogen werden. Der Spiegel lässt immer nur den Blick von Außen zu, er spiegelt das Äußere eines Menschen oder eines Dingens, verzerrt es dabei notwendig und doch ist das Spiegelbild oftmals nicht vom Original zu scheiden. Dieses Problem als auch Potenzial trifft wie schon angedeutet auch auf den Film zu, er kann eine illusionistische Welt errichten, in die der Zuschauer eintaucht. Er kann gleichzeitig Figuren aber immer nur von Außen zeigen, sozusagen nur die äußerlichen Ausprägungen ihres Inneren bspw. in Gestik und Mimik wiedergeben.
Gleichzeitig will (und kann) er diese Grenze immer auch überschreiten. Betrachtet man etwa den Film von Russel, könnte man ausführen, dass das rasende Bild des drehenden Spiegels die Reizüberflutung des Drogenrausches wiedergibt, er sich also von der äußeren, 'objektiven' Darstellung einer berauschten Figur in die Erkundung und Repräsentation der inneren Wahrnehmung transformiert. Hier zeigt sich der experimentelle Charakter des Films, er bricht Konventionen und versucht neue Darstellungsarten, wodurch er immer auch nach den Grenzen des filmischen Mediums fragt. Dieser experimentelle Anspruch passt optimal zur Darstellung des Drogenrausches, da auch hier grundsätzlich die Problematik besteht, dass sich der Drogenrausch innerhalb einer subjektiven Wahrnehmung abspielt, die an sich nicht wiedergegeben werden kann. Der Film repräsentiert hier prototypisch den Wandel in der filmischen Darstellung von Rausch, aus der distanzierten Abildung einer berauschten Person wird die experimentelle Erkundung der Darstellungsmöglichkeit von subjektiven Wahrnehmungsphänomenen. Dieses ist aber sicherlich nur eine mögliche Deutung von Russels Film, der in seinem offenen Charakter eher die freie Assoziation und schweifende Kontemplation denn die dechiffrierende Entschlüsselung im Zuschauer zu fördern scheint.
TRYPPS #7 (BADLANDS) from Ben Russell on Vimeo.
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