Spiegel Online berichtete diese von einer Studie, die untersuchte, wie häufig in amerikanischen Filmen alkoholische Getränke abgebildet werden (Quelle). Konkret untersuchten James D. Sargent und Samantha Cukier die 100 in Amerika erfolgreichsten Filme von 1996 bis 2015 nach ihrer Alkoholdarstellung, also insgesamt 1998 Filme. Sie kommen dabei zu dem Ergebnis, dass in 87% (1741) der Filme Alkohol auftauchte. Das Ergebnis verdeutlicht einmal mehr, wie omnipräsent die "Volksdroge" Alkohol in westlichen Gesellschaften ist.
Der eigentliche Fokus der Studie war jedoch ein anderer. So lag ihr besonderes Augenmerk auf Filmen, die auch für Kinder zugelassen sind. So konsumierten in 85% (1108) der für Kinder zugelassenen Filme Figuren Alkohol. Besonders problematisieren die Autoren, dass es sich in 41% (533) dieser Fälle um die Darstellung einer konkreten Marke handele. Die Filme würden so schon ein junges Publikum zum Konsum von Alkohol verführen. Insgesamt würden die sehr hohen Zahlen und insbesondere die steigende Häufigkeit der Markennennung ein Versagen der Selbstkontrolle des Marketings der entsprechenden Firmen deutlich machen.
Das konkrete Studiendesign und weitere Ergebnisse können dem Abstract der Studie unter folgendem Link entnommen werden: https://www.eurekalert.org/pub_releases/2017-05/aaop-ami042617.php
Interessant wäre für mich, neben diesen zweifelsohne beeindruckenden Zahlen, wie genau der Alkoholkonsum in den Filmen repräsentiert wird: Handelt es sich in den meisten Fällen um die Darstellung als alltägliches Genussmittel? Oder werden auch negative Wirkungen wie Kontrollverlust und der Kater am nächsten Morgen dargestellt? Andersherum verweist die Studie jedoch auch auf einen blinden Fleck solcher qualitativen Perspektiven: Drogen bringen immer auch ökonomische Zusammenhänge mit sich, wie der hohe Anteil konkreter Markennennungen zeigt.
Rausch
Notizen zum Thema Rausch
Samstag, 13. Mai 2017
Dienstag, 21. März 2017
Rolling Stones "Sister Morphine"
Musik und Drogen bilden in der Vorstellung oftmals eine perfekte Symbiose, die Musikströmung des Psychedelic Rocks ist ohne LSD wohl nur in Teilen vorstellbar. In diesem Beitrag möchte ich mit "Sister Morphine" von den Rolling Stones jedoch einer Droge widmen, die nur bedingt in den Konnex von Sex, Drugs and Rock'n'Roll passt. Die Version, der ich mich hier widme, erschien 1971 auf dem Album Sticky Fingers, verfasst wurde der Text von Mick Jagger, Keith Richards und Marianne Faithfull.
Der Song handelt von der Einahme von Morphium; einem starken Schmerzmittel, welches Nebenwirkungen mit sich bringen kann. Wurde Morphium zu Zeiten seiner Einführung positiv beurteilt, offenbarte sich im Verlaufe der Zeit seine verheerende Suchtwirkung. Diese zeigte sich bspw. in Kriegszeiten, wenn verwundete Soldaten mit dem Mittel behandelt wurden und anschließend mit der Sucht zu ringen hatten. Umfassend thematisiert wird diese Problematik z.B. in Nelson Algrens Roman The Man With The Golden Arm (Link).
Die Rolling Stones personifizieren das Mittel als "Sister Morphine": In ihrem gleichnamigen Lied liegt das lyrische Ich in seinem Krankenhausbett und fragt die fiktive Gestalt der Sister Morphine, wann sie ihn das nächste Mal besucht. Ihre suchtmachende Wirkung kommt dabei direkt in der ersten Strophe zur Sprache. Das lyrische Ich eröffnet mit dem Ausruf "Oh" eine Klage über das Wartenmüssen auf die nächste Dosis, wobei es seine eigene Schwäche als Ursache für die kurze Dauer des Aushaltens ohne neue Dosis benennt: "Oh, I don't think I can wait that long / Oh, you see that I'm not that strong" (Quelle: lyricsfreak.com, Link).
Die starke Wirkung des Morphiums wird als Orientierungsverlust beschrieben, das lyrische Ich verliert sein Ort- und Zeitgefühl. Weiterhin löst es alptraumhafte Halluzinationen aus, es berichtet von Ärzten ohne Gesichter. Diese Effekte werden vom lyrischen Ich jedoch nicht dem Rausch zugeschoben, sondern vielmehr der Entzugswirkung. Eine neue Dosis von "Sister Morphine" würde die Alpträume in Träume verwandeln.
Im Text bleibt dabei unklar, ob das lyrische Ich an den Qualen des Entzugs leidet oder ob es, wie es beschreibt, wirklich im Sterben liegt ("Cause you know and I know in the morning I'll be dead"). Diese Unklarheit kommt im Text selbst zum Ausdruck: "Things are not what they seem". In jedem Fall befindet sich das lyrische Ich in einer aufgebrachten Lage, weswegen es die Cousine des Morphiums, das Kokain, anruft, ihm seine kühlende Hand auf die Stirn zu legen. Die abschließenden Songverse der Ankündigung des morgigen Todes münden folglich in eine Doppeldeutigkeit: Entweder das Morphium soll den Sterbeprozess angenehmer werden lassen; oder der Betroffene hat gegenüber der Morphiumsucht resigniert und wartet nur noch auf den Tod als Konsequenz des Konsums der Droge.
Das lyrische Ich ruft dabei das Morphium an, sich neben ihn zu setzen: "Yeah, and you can sit around, yeah and you can watch all the / Clean white sheets stained red." Auch diese Verse können doppeldeutig gelesen werden: als Bitte um Beistand in den letzten Stunden oder als endgültige Aufgabe vor der Droge. Interessant ist dabei die Formulierung, dass das Morphium zuschauen soll. Im Kontrast zu Beginn des Liedes geht es nicht mehr darum, dass die Droge injiziert werden soll, also Körper und Substanz verschmelzen sollen, um bspw. Alpträume in Träume zu verwandeln. Es zeigt sich vielmehr ein Abstand, eine Distanz zwischen Konsument und Mittel. Diesen würde ich tendenziell eher als Ausdruck der Sucht deuten. Das Morphium berauscht nicht mehr, führt den Konsumenten nicht mehr zu neuen Höhen, sondern dieser liegt vielmehr geschlagen in seinem Sterbebett. Als Opfer vor der Droge, die sich damit als Fremdkörper zeigte, als "Todeslinie", wie ich Gilles Deleuze und Félix Guattari in einem der letzten Beiträge zitierte. Die Unschuld der weißen Laken wird sich in das Rot von Blut einfärben, genau wie die Droge des Morphiums historisch ihre Unschuld als Heilmittel verlor und heutzutage oftmals nur dann zum Einsatz kommt, wenn es keinen anderen Ausweg mehr gibt.
Die musikalische Umsetzung endet dabei in einen langen instrumentellen Part, der den Charakter des Morphiums auf seine eigene Art und Weise verhandelt:
Vollständiger Songtext:
"Rolling Stones – Sister Morphine Lyrics
Here I lie in my hospital bed
Tell me, Sister Morphine, when are you coming round again?
Oh, I don't think I can wait that long
Oh, you see that I'm not that strong
The scream of the ambulance is sounding in my ears
Tell me, Sister Morphine, how long have I been lying here?
What am I doing in this place?
Why does the doctor have no face?
Oh, I can't crawl across the floor
Ah, can't you see, Sister Morphine, I'm trying to score
Well it just goes to show
Things are not what they seem
Please, Sister Morphine, turn my nightmares into dreams
Oh, can't you see I'm fading fast?
And that this shot will be my last
Sweet Cousin Cocaine, lay your cool cool hand on my head
Ah, come on, Sister Morphine, you better make up my bed
Cause you know and I know in the morning I'll be dead
Yeah, and you can sit around, yeah and you can watch all the
Clean white sheets stained red."
Quelle: http://www.lyricsfreak.com/r/rolling+stones/sister+morphine_20118226.html (aufgerufen am 21.03.2016
Der Song handelt von der Einahme von Morphium; einem starken Schmerzmittel, welches Nebenwirkungen mit sich bringen kann. Wurde Morphium zu Zeiten seiner Einführung positiv beurteilt, offenbarte sich im Verlaufe der Zeit seine verheerende Suchtwirkung. Diese zeigte sich bspw. in Kriegszeiten, wenn verwundete Soldaten mit dem Mittel behandelt wurden und anschließend mit der Sucht zu ringen hatten. Umfassend thematisiert wird diese Problematik z.B. in Nelson Algrens Roman The Man With The Golden Arm (Link).
Die Rolling Stones personifizieren das Mittel als "Sister Morphine": In ihrem gleichnamigen Lied liegt das lyrische Ich in seinem Krankenhausbett und fragt die fiktive Gestalt der Sister Morphine, wann sie ihn das nächste Mal besucht. Ihre suchtmachende Wirkung kommt dabei direkt in der ersten Strophe zur Sprache. Das lyrische Ich eröffnet mit dem Ausruf "Oh" eine Klage über das Wartenmüssen auf die nächste Dosis, wobei es seine eigene Schwäche als Ursache für die kurze Dauer des Aushaltens ohne neue Dosis benennt: "Oh, I don't think I can wait that long / Oh, you see that I'm not that strong" (Quelle: lyricsfreak.com, Link).
Die starke Wirkung des Morphiums wird als Orientierungsverlust beschrieben, das lyrische Ich verliert sein Ort- und Zeitgefühl. Weiterhin löst es alptraumhafte Halluzinationen aus, es berichtet von Ärzten ohne Gesichter. Diese Effekte werden vom lyrischen Ich jedoch nicht dem Rausch zugeschoben, sondern vielmehr der Entzugswirkung. Eine neue Dosis von "Sister Morphine" würde die Alpträume in Träume verwandeln.
Im Text bleibt dabei unklar, ob das lyrische Ich an den Qualen des Entzugs leidet oder ob es, wie es beschreibt, wirklich im Sterben liegt ("Cause you know and I know in the morning I'll be dead"). Diese Unklarheit kommt im Text selbst zum Ausdruck: "Things are not what they seem". In jedem Fall befindet sich das lyrische Ich in einer aufgebrachten Lage, weswegen es die Cousine des Morphiums, das Kokain, anruft, ihm seine kühlende Hand auf die Stirn zu legen. Die abschließenden Songverse der Ankündigung des morgigen Todes münden folglich in eine Doppeldeutigkeit: Entweder das Morphium soll den Sterbeprozess angenehmer werden lassen; oder der Betroffene hat gegenüber der Morphiumsucht resigniert und wartet nur noch auf den Tod als Konsequenz des Konsums der Droge.
Das lyrische Ich ruft dabei das Morphium an, sich neben ihn zu setzen: "Yeah, and you can sit around, yeah and you can watch all the / Clean white sheets stained red." Auch diese Verse können doppeldeutig gelesen werden: als Bitte um Beistand in den letzten Stunden oder als endgültige Aufgabe vor der Droge. Interessant ist dabei die Formulierung, dass das Morphium zuschauen soll. Im Kontrast zu Beginn des Liedes geht es nicht mehr darum, dass die Droge injiziert werden soll, also Körper und Substanz verschmelzen sollen, um bspw. Alpträume in Träume zu verwandeln. Es zeigt sich vielmehr ein Abstand, eine Distanz zwischen Konsument und Mittel. Diesen würde ich tendenziell eher als Ausdruck der Sucht deuten. Das Morphium berauscht nicht mehr, führt den Konsumenten nicht mehr zu neuen Höhen, sondern dieser liegt vielmehr geschlagen in seinem Sterbebett. Als Opfer vor der Droge, die sich damit als Fremdkörper zeigte, als "Todeslinie", wie ich Gilles Deleuze und Félix Guattari in einem der letzten Beiträge zitierte. Die Unschuld der weißen Laken wird sich in das Rot von Blut einfärben, genau wie die Droge des Morphiums historisch ihre Unschuld als Heilmittel verlor und heutzutage oftmals nur dann zum Einsatz kommt, wenn es keinen anderen Ausweg mehr gibt.
Die musikalische Umsetzung endet dabei in einen langen instrumentellen Part, der den Charakter des Morphiums auf seine eigene Art und Weise verhandelt:
"Rolling Stones – Sister Morphine Lyrics
Here I lie in my hospital bed
Tell me, Sister Morphine, when are you coming round again?
Oh, I don't think I can wait that long
Oh, you see that I'm not that strong
The scream of the ambulance is sounding in my ears
Tell me, Sister Morphine, how long have I been lying here?
What am I doing in this place?
Why does the doctor have no face?
Oh, I can't crawl across the floor
Ah, can't you see, Sister Morphine, I'm trying to score
Well it just goes to show
Things are not what they seem
Please, Sister Morphine, turn my nightmares into dreams
Oh, can't you see I'm fading fast?
And that this shot will be my last
Sweet Cousin Cocaine, lay your cool cool hand on my head
Ah, come on, Sister Morphine, you better make up my bed
Cause you know and I know in the morning I'll be dead
Yeah, and you can sit around, yeah and you can watch all the
Clean white sheets stained red."
Quelle: http://www.lyricsfreak.com/r/rolling+stones/sister+morphine_20118226.html (aufgerufen am 21.03.2016
Mittwoch, 9. November 2016
US Wahl 2016: Legalisierung Cannabis
Am Rande der Berichterstattung über die gestrige us-amerikanische Präsidentschaftswahl, also jenseits des Wettstreits von Hillary Clinton und Donald Trump, stieß ich auf einen Nebenschauplatz, auf den Zeit Online aufmerksam machte. So durften die Wähler auf bundesstaatlicher Ebene über mehr als 150 weitere Referenden abstimmen, die sich u.a. auch auf die Drogenpolitik bezogen. Zeit Online fasst die Ergebnisse wie folgt zusammen: "Die Staaten Florida, Arkansas und North Dakota legalisierten weitgehend den Konsum von Cannabis zu medizinischen Zwecken. Kalifornien, Nevada und Massachusetts votierten dafür, Marihuana generell zum Freizeitgebrauch zu erlauben." (Link)
Dadurch sei Marihuana künftig in acht der 50 US-Bundesstaaten erlaubt, setzt sich der Trend zur Legalisierung in den USA also weiter fort. Diese Legalisierung bringt neben der Entkriminalisierung wichtige Umbrüche mit sich, der Schwarzmarkt ist nunmehr ein ganz neues, kapitalreiches Wirtschaftsfeld, es eröffnen sich leichtere Möglichkeiten der Erforschung und es wird die Frage aufgeworfen, welchen Einfluss die Legalisierung auf die Menge und evtl. dadurch ausgelöste gefährliche Nebenwirkungen des Konsums hat. Am Rande deutet der Artikel zudem an, dass sich das Bild des stereotypischen Kiffers wohl im Wandel befindet. In Kalifornieren wurde der Legalisierung von Cannabis zugestimmt, zugleich aber die Abschaffung der Todesstrafe abgelehnt (genau wie eine Kondompflicht in der Pornoindustrie): Auf den ersten Blick scheint es also um das, stark überzeichnete, Klischee des kiffenden, friedliebenden Hippies nicht mehr weit bestellt zu sein.
Quelle: Zeit Online, URL: http://www.zeit.de/wissen/gesundheit/2016-11/drogenpolitik-marihuana-legalisierung-kalifornien-nevada-massachusetts , aufgerufen am 09.11.2016.
Dadurch sei Marihuana künftig in acht der 50 US-Bundesstaaten erlaubt, setzt sich der Trend zur Legalisierung in den USA also weiter fort. Diese Legalisierung bringt neben der Entkriminalisierung wichtige Umbrüche mit sich, der Schwarzmarkt ist nunmehr ein ganz neues, kapitalreiches Wirtschaftsfeld, es eröffnen sich leichtere Möglichkeiten der Erforschung und es wird die Frage aufgeworfen, welchen Einfluss die Legalisierung auf die Menge und evtl. dadurch ausgelöste gefährliche Nebenwirkungen des Konsums hat. Am Rande deutet der Artikel zudem an, dass sich das Bild des stereotypischen Kiffers wohl im Wandel befindet. In Kalifornieren wurde der Legalisierung von Cannabis zugestimmt, zugleich aber die Abschaffung der Todesstrafe abgelehnt (genau wie eine Kondompflicht in der Pornoindustrie): Auf den ersten Blick scheint es also um das, stark überzeichnete, Klischee des kiffenden, friedliebenden Hippies nicht mehr weit bestellt zu sein.
Quelle: Zeit Online, URL: http://www.zeit.de/wissen/gesundheit/2016-11/drogenpolitik-marihuana-legalisierung-kalifornien-nevada-massachusetts , aufgerufen am 09.11.2016.
Freitag, 14. Oktober 2016
"Foucault — The Lost Interview"
An dieser Stelle erscheint heute mal eine andere Form von Rauschdokument: ein Interview mit Michel Foucault, das selbst über eine ereignishafte Geschichte verfügt. 1971 mit Fons Elders für das niederländische Fernsehen geführt, ging das Rohmaterial durch ein Feuer verloren, bevor es 2012 von Lionel Claris wiederentdeckt und veröffentlicht wurde. Interessant ist das Interview in diesem Zusammenhang, weil Foucault die Drogenthematik anreißt. So führt er aus (wenn ich recht sehe übersetzt gemeinsam von Fons Elders und Lionel Claris):
Diese, von den 68ern beeinflusste, euphemistische Aufladung des Drogenrausches zeigt damit indirekt, welche Wandlungen der Drogendiskurs in den folgenden Jahrzehnten erfahren hat. Insbesondere das Aufkommen von Heroin dürfte die Ansicht, dass Drogen eine Befreiuung des Wissens darstellen, nachhaltig beschädigt haben. So kann man andersherum fragen, ob die Drogen nicht, statt weiterhin eine psychedelische Herausforderung für das bürgerliche, kapitalistische Bewusstsein zu sein, vielmehr vom Kapitalimus vereinahmt wurden. Insbesondere Heroin wurde zu einem Produkt zwischen Angebot und Nachfrage, es bildeten sich marktähnliche Strukturen und Geld wurde zum treibenden Faktor der Verbreitung bzw. politischen Duldung der Substanz. Zweifellos ist dies keine neue Entwicklung gewesen, doch ist auffällig, wie deutlich der Bruch zwischen gegenkultureller Strömung und "Drogenkriegernüchterung" war.
Abgesehen von dieser gesellschaftlichen Entwicklung korrespondieren Foucaults Ausführungen zur Droge als Problem für den Strukturalismus auf theoretischer Ebene mit den Ausführungen anderer zeitgenössischer Denker. Gilles Deleuze und Félix Guattari problematisieren in ihrem Werk Tausend Plateaus. Kapitalismus und Schizophrenie die Droge als Bruch mit hierarchischen Wissensstrukturen und als Eröffnung einer Fluchtlinie. Im Gegensatz zu Foucault herrscht bei ihnen jedoch eine deutliche Skepsis vor, die Droge hat ihre gegenkulturelle, revolutionäre Kraft eingebüßt: "Statt einen organlosen Körper zu erzeugen, der voll oder reich genug für den Durchlaß von Intensitäten ist, schaffen die Drogen einen leeren oder gläsernen Körper, einen von Krebs befallenen Körper: die kausale Linie, die kreative Linie oder Fluchtlinie verwandelt sich sofort in eines Todeslinie, eine Linie der Vernichtung." (Deleuze, Gilles; Guattari, Félix: Kapitalismus und Schizophrenie. Tausend Plateaus. Merve Verlag: Berlin 1997; S. 388.)
So viel aber nur am Rande, das vollständige (d.h. die übriggebliebenen Fragmente) des Interviews mit Foucault finden sich hier:
Quelle: https://www.youtube.com/watch?v=qzoOhhh4aJg#t=524 (zuletzt aufgerufen am 14.10.2016)
Structuralists are people for whom what counts in essence are systems of relations and thus not at all the lived individual experience of people… what I do belongs at heart like structuralism to this great questioning of the sovereignity of the subject… Deep down what is the experience of drugs if not this: to erase limits, to reject divisions, to put away all prohibitions, and then ask oneself the question, what has become of knowledge? Do we then know something altogether other? Can we still know what we knew before the experience of drugs? Is this knowledge of before drugs still valid or is it a new knowledge? This is a real problem and I think that in this measure the experience of drugs isn’t marginal in our society, it’s not a sort of little deviance that does not count. It seems to me that it is at the very heart of the problems that the society in which we live – that is to say, in the capitalist society – is confronted with.Foucault charakterisiert den Drogenrausch in seinen typischen Eigenschaften: Als Auflösung der Grenzen des souveränen Subjekts und Zurückweisung intellektueller Unterteilungen. Auffällig ist dabei die positive Konnotierung des Drogenrausches, so provoziere er eine neue, andersartige Form des Wissens, die dadurch die gesellschaftlich dominanten Erkenntnissformen in Frage stelle. Deutlich wird dabei die zeitgemäße gegenkulturelle Prägung, Angriffspunkt ist der Kapitalismus als unterdrückende Gesellschaftsordnung, gegen die es zu opponieren gelte.
Diese, von den 68ern beeinflusste, euphemistische Aufladung des Drogenrausches zeigt damit indirekt, welche Wandlungen der Drogendiskurs in den folgenden Jahrzehnten erfahren hat. Insbesondere das Aufkommen von Heroin dürfte die Ansicht, dass Drogen eine Befreiuung des Wissens darstellen, nachhaltig beschädigt haben. So kann man andersherum fragen, ob die Drogen nicht, statt weiterhin eine psychedelische Herausforderung für das bürgerliche, kapitalistische Bewusstsein zu sein, vielmehr vom Kapitalimus vereinahmt wurden. Insbesondere Heroin wurde zu einem Produkt zwischen Angebot und Nachfrage, es bildeten sich marktähnliche Strukturen und Geld wurde zum treibenden Faktor der Verbreitung bzw. politischen Duldung der Substanz. Zweifellos ist dies keine neue Entwicklung gewesen, doch ist auffällig, wie deutlich der Bruch zwischen gegenkultureller Strömung und "Drogenkriegernüchterung" war.
Abgesehen von dieser gesellschaftlichen Entwicklung korrespondieren Foucaults Ausführungen zur Droge als Problem für den Strukturalismus auf theoretischer Ebene mit den Ausführungen anderer zeitgenössischer Denker. Gilles Deleuze und Félix Guattari problematisieren in ihrem Werk Tausend Plateaus. Kapitalismus und Schizophrenie die Droge als Bruch mit hierarchischen Wissensstrukturen und als Eröffnung einer Fluchtlinie. Im Gegensatz zu Foucault herrscht bei ihnen jedoch eine deutliche Skepsis vor, die Droge hat ihre gegenkulturelle, revolutionäre Kraft eingebüßt: "Statt einen organlosen Körper zu erzeugen, der voll oder reich genug für den Durchlaß von Intensitäten ist, schaffen die Drogen einen leeren oder gläsernen Körper, einen von Krebs befallenen Körper: die kausale Linie, die kreative Linie oder Fluchtlinie verwandelt sich sofort in eines Todeslinie, eine Linie der Vernichtung." (Deleuze, Gilles; Guattari, Félix: Kapitalismus und Schizophrenie. Tausend Plateaus. Merve Verlag: Berlin 1997; S. 388.)
So viel aber nur am Rande, das vollständige (d.h. die übriggebliebenen Fragmente) des Interviews mit Foucault finden sich hier:
Donnerstag, 3. März 2016
Five Finger Death Punch "My Nemesis"
Vor kurzem behandelte ich ein Musikvideo der Band Disturbed, welches unter dem Titel "Fire it up" eine Lobeshymne auf Marihuana darstellte. In diesem Beitrag geht es erneut um ein Heavy Metal Musikvideo über Drogen, Five Finger Death Punch kommen in ihrem Musikvideo zu "My Nemesis" (Regie: Nick Peterson, 2016, Video weiter unten) jedoch zu einer deutlich anderen Beurteilung des Drogenkonsums. Textlich handelt der Song dabei von einem Moment des Aufbruchs, das lyrische Ich zelebriert seine eigene Befreiung: "I'm leaving behind this world / And all the things I am / I'm tearing away from it / Because I know I can" (Quelle). Dieser Neuanfang geht mit einem Bruch von etwas einher, das im Verlauf des Textes näher umzeichnet wird. So spricht das lyrische Ich ein unbekanntes Du an, von dem es sich befreien möchte. Die Betitelung dieses Dus mit "My Nemesis" lässt dabei offen, ob es sich um eine wirklich Person oder nur um ein innerliches psychisches Moment wie die eigene Angst handelt. In jeden Fall wird dieses Du entschieden angeprangert und in seiner einsperrenden Funktion beschrieben: "I gave you everything / And in return / You gave me nothing / Show me a sign / Please give me anything / I will not hide from what's inside of me / My nemesis / I'm turning away from me" (Quelle).
Die destruktive Macht wird dabei als alles verschlingend beschrieben, ohne je etwas zuzurückzugeben. Diese Charakterisierung impliziert eine Nähe zur Drogenthematik. So werden Drogen oft als eine Kraft beschrieben, die die Energie eines ganzen Lebens aufsaugen kann, ohne diesem Leben eine Gegenleistung zu bringen. Am deutlichsten sicherlich im Bild des Junkies, der seine ganzes Leben auf die Suche nach dem nächsten Schuss konzentiert. Entscheidend hier das Motiv der Sucht, die dem Rausch alle positive Konnotation raubt und ihn zum Gefängnis werden lässt.
Im Musikvideo wird diese Nähe zur Drogenthematik nun anhand von drei Handlungssträngen expliziert:
Wie Abb. 1 zeigt ist jeder der drei Handlungsstränge mit einer Drogenart verknüpft. Im ersten geht es um einen Alkoholiker, der seinen Sohn regelmäßig verprügelt. Im zweiten um eine Mutter, die Heroin abhängig ist und ihre Tochter vernachlässigt. Und im dritten Handlungsstrang um einen Vater, dessen Sohn durch Marihuanakonsum in eine Antriebslosigkeit verfällt. Diese Handlungen sind allesamt nur angedeutet im Musikvideo, ihre Verbindung ist jedoch die textlich beschrieben Bewegung hin zur Freiheit. Interessanter Weise rücken jedoch nicht die Drogenkonsumenten in den Fokus, die bspw. gegen ihre Sucht ankämpfen, sondern vielmehr die Angehörigen der Drogensüchtigen, die indirekt unter der Sucht leiden. Die "Nemesis" findet sich also im zweifachen Sinne, erstens im konkreten drogensüchtigen Angehörigen und zweitens in der Drogensucht.
Alle drei Personen, also die beiden Kinder und der Vater, folgen im gewissen Sinne der Aussage des Textes, sie brechen aus ihrem belastenden Alltag aus und brechen folglich ganz konkret mit dem drogensüchtigen Angehörigen. Dieses stellt für alle eine schmerzhafte Erfahrung dar, die beiden Kinder werden obdachlos und müssen versuchen auf der Straße zu überleben, der Vater sucht das Grab seiner verstorbenen Ehefrau auf und muss erkennen, dass er mit dem Versuch, seinen Sohn alleine zu erziehen, gescheitert ist. Der Drogenrausch wird also nur als Sucht aufgefasst, als zerstörerische Kraft, die die soziale Bindung der Familie auflöst und auch die nur indirekt von der Sucht Betroffenen in existentielle Nöte stürzt. Der Unterschied zu Disturbeds Hymne ist hier signifikant: Preiste dieses Lied Marihuana als Quelle der Inspiration, ist es im Musikvideo von Five Finger Death Punch durchweg negativ konnotiert. Es raubt dem Video zufolge Jugendlichen die Kraft, ihr Leben zu gestalten, und führt zum Bruch mit der Familie.
Das Musikvideo zeichnet dabei ein oft pessimistisches Bild. So verlaufen die Leben der ausgebrochenen Personen schlecht, Hoffnung keimt nur gegen Ende auf, wenn sich zwei der Handlungsstränge kreuzen. Die beiden geflüchteten Kinder begegnen einander, wobei der Junge das Mädchen vor einem Übergriff durch einen aggressiven Mann schützt. Anschließend sieht man sie gemeinsam am Strand dem Sonnenuntergang entgegen laufen. Hoffnung will aber auch hier nur bedingt aufkommen, trennt sich letztlich der Weg beider am Strand doch wieder. Zugleich strömen immer mehr Personen auf den Strand, die ebenso auf der Flucht zu sein scheinen.
Auch die Leben der Drogensüchtigen verlaufen weiter düster. So keimt beim Marihuanasüchtigen Sohn kurz Hoffnung auf, ein Freund will ihn motivieren, einen Job zu suchen. Es scheint jedoch nur darum zu gehen, Geld für den Kauf weiterer Drogen zu beschaffen. Ansonsten wird diese Erzählung nicht weiter verfolgt, eine positive Aussicht auf Veränderung ist also nicht in Sicht. Komplexer gestaltet sich die Erzählung um die heroinsüchtige Mutter:
Wie in Abb. 2 zu sehen beginnt die Mutter mit einem kalten Entzug. Ästhetisch auffällig ist dabei die sehr körperlich orientierte Inszenierung, die durch oft nahe Aufnahmen in Szene gesetzt wird. Dieses beginnt bereits bei der Markierung der Sucht durch die Detailaufnahme auf die Einstichlöcher der Arme. Zur Entfaltung kommt diese körperliche Dimension dann aber im Entzug, wir sehen den krampfhaft verzerrten Körper, dessen Magen sich vor Hunger zusammenzieht, gleichzeitig aber durch einen starken Brechreiz keine Nahrung zu sich nehmen kann. Ebenso sehen wir das schmerzvoll entstellte Gesicht, in einer Großaufnahme wird der ganze Schrecken des kalten Entzugs ausgestellt. Auffällig ist also die Drastik der Darstellung, die an Entzugsszenen gesellschaftskritischer Drogenfilme erinnert. Die Ausstellung des geschundenen Körpers soll dabei mutmaßlich zum affektiven Mitleiden und zur Abschreckung dienen. Trotz des Entzugs bleibt die Aussicht aber auch hier getrügt, wie Abb. 2 präsentiert sehen wir zwar die Mutter in die goldene Abendsonne blickend, suggeriert die Szene also ein kommendes Morgen. Demgegenüber steht allerdings die darsgestellte Handlung der Szene: Die Mutter verfasst Briefe, die sich aber letztlich nur auf dem Tisch stapeln, da die obdachlose Tochter nicht zu erreichen ist. Die Kommunikationsmöglichkeit ist also endgültig abgerissen, die Chancen auf eine Wiedervereinigung der Familie sind denkbar schlecht.
Damit bin ich bei dem Abschlussbild des Musikvideos:
Wie geschildert sammeln sich andere Geflüchtete am Strand. Dabei wird ein Satz eingeblendet, der auf die sich einstellende Trauer verweist, wenn man die letzte Chance vertan hat, jemanden zu helfen. Diesen Satz könnte man so deuten, dass für die drei diegetischen Handlungsstränge keine Hoffnung mehr besteht. Die einzige Hoffnung ist vielmehr, dass sie für den Zuschauer ein abschreckendes, zum Umdenken motivierendes Beispiel darstellen. Das wäre nun aber eine sehr moralische Lesart, die ich hier nur als ein Angebot der Lesart anbieten möchte.
Die destruktive Macht wird dabei als alles verschlingend beschrieben, ohne je etwas zuzurückzugeben. Diese Charakterisierung impliziert eine Nähe zur Drogenthematik. So werden Drogen oft als eine Kraft beschrieben, die die Energie eines ganzen Lebens aufsaugen kann, ohne diesem Leben eine Gegenleistung zu bringen. Am deutlichsten sicherlich im Bild des Junkies, der seine ganzes Leben auf die Suche nach dem nächsten Schuss konzentiert. Entscheidend hier das Motiv der Sucht, die dem Rausch alle positive Konnotation raubt und ihn zum Gefängnis werden lässt.
Im Musikvideo wird diese Nähe zur Drogenthematik nun anhand von drei Handlungssträngen expliziert:
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Abbildung 1: Beginn. Quelle: Five Finger Death Punch: "My Nemesis" Regie: Nick Peterson, 2016. Zusammenstellung Henrik Wehmeier. |
Alle drei Personen, also die beiden Kinder und der Vater, folgen im gewissen Sinne der Aussage des Textes, sie brechen aus ihrem belastenden Alltag aus und brechen folglich ganz konkret mit dem drogensüchtigen Angehörigen. Dieses stellt für alle eine schmerzhafte Erfahrung dar, die beiden Kinder werden obdachlos und müssen versuchen auf der Straße zu überleben, der Vater sucht das Grab seiner verstorbenen Ehefrau auf und muss erkennen, dass er mit dem Versuch, seinen Sohn alleine zu erziehen, gescheitert ist. Der Drogenrausch wird also nur als Sucht aufgefasst, als zerstörerische Kraft, die die soziale Bindung der Familie auflöst und auch die nur indirekt von der Sucht Betroffenen in existentielle Nöte stürzt. Der Unterschied zu Disturbeds Hymne ist hier signifikant: Preiste dieses Lied Marihuana als Quelle der Inspiration, ist es im Musikvideo von Five Finger Death Punch durchweg negativ konnotiert. Es raubt dem Video zufolge Jugendlichen die Kraft, ihr Leben zu gestalten, und führt zum Bruch mit der Familie.
Das Musikvideo zeichnet dabei ein oft pessimistisches Bild. So verlaufen die Leben der ausgebrochenen Personen schlecht, Hoffnung keimt nur gegen Ende auf, wenn sich zwei der Handlungsstränge kreuzen. Die beiden geflüchteten Kinder begegnen einander, wobei der Junge das Mädchen vor einem Übergriff durch einen aggressiven Mann schützt. Anschließend sieht man sie gemeinsam am Strand dem Sonnenuntergang entgegen laufen. Hoffnung will aber auch hier nur bedingt aufkommen, trennt sich letztlich der Weg beider am Strand doch wieder. Zugleich strömen immer mehr Personen auf den Strand, die ebenso auf der Flucht zu sein scheinen.
Auch die Leben der Drogensüchtigen verlaufen weiter düster. So keimt beim Marihuanasüchtigen Sohn kurz Hoffnung auf, ein Freund will ihn motivieren, einen Job zu suchen. Es scheint jedoch nur darum zu gehen, Geld für den Kauf weiterer Drogen zu beschaffen. Ansonsten wird diese Erzählung nicht weiter verfolgt, eine positive Aussicht auf Veränderung ist also nicht in Sicht. Komplexer gestaltet sich die Erzählung um die heroinsüchtige Mutter:
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Abbildung 2: Entzug. Quelle: Five Finger Death Punch: "My Nemesis" Regie: Nick Peterson, 2016. Zusammenstellung Henrik Wehmeier. |
Damit bin ich bei dem Abschlussbild des Musikvideos:
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Abbildung 3: Ende. Quelle: Five Finger Death Punch: "My Nemesis" Regie: Nick Peterson, 2016. Zusammenstellung Henrik Wehmeier. |
Dienstag, 2. Februar 2016
Girls (Apatow Production/HBO, USA 2012- )
Die Serie Girls handelt vom Alltag von vier jungen New Yorkerinnen, die Anfang bis Mitte Zwanzig sind und ihren Weg durchs Leben suchen. Wenig überraschend tauchen hierbei immer wieder verschiedene Drogenräusche (und selbstredend auch unzählige Liebesräusche) auf, wobei der Konsum von Alkohol und Marihuana selten eine besondere Inszenierung erfährt. Anders gestaltet sich die Darstellung des Kokainkonsums, der einen Handlungsstrang der dritten Episode der zweiten Staffel ("Bad Friend") darstellt. Interessant ist dabei schon die Rahmung des Kokaintrips: Hannah, Jungschriftstellerin und quasi Hauptprotagonistin der Serie, erhält eine Beschäftigung als freie Mitarbeiterin eines Onlinemagazins und dabei als ersten Themenvorschlag einen autobiographischen Erfahrungsbericht über Kokainkonsum. Hier werden starke Assoziationen an das Magazin Vice wach, welches von einem sehr subjektiven, lockeren Stil geprägt ist und in dessen Artikeln es auffällig häufig um das Thema Drogen geht (Link). Mindestens von Produzentenseite wird also in der jungen Leserschaft ein hohes Interesse an der Drogenthematik vermutet, Drogen sind nach wie vor ein Reizthema, das zieht.
Aber zur Inszenierung des Kokainrausches in Girls selbst: Nachdem Hannah, den Themenvorschlag annehmend, die Schwierigkeit des Zugangs zum Kokain mit Hilfe ihres Nachbarn Laird gelöst hat, konsumiert sie mit ihren Mitbewohner Elijah selbiges. Während ihrer Trips durchlaufen beide verschiedene Phasen, deren Zustände durch ihre überzeichnete Inszenierung von üblichen Klischees auffallen.
Abbildung 1 zeigt Screenshots aus der ersten Phase, Hannah und Elijah beginnen mit dem Konsum bereits am Nachmittag und halten sich entsprechend etwas ziellos in ihrer Wohnung auf. Das Kokain löst jedoch einen enormen Tatendrang in ihnen aus, dieser zeigt sich bei Elijah körperlich in vielen und schnellen Bewegungen, eine Unruhe erfasst ihn, die insbesondere in den platonischen Körperkontakt des Massierens mündet. Bei Hannah hingegen zeigt sich diese Unruhe eher geistig, im schnellen Sprechtempo listet sie eine große Anzahl oft absurd anmutender Pläne auf, die sie jetzt endlich einmal in die Tat umsetzen will. Diese Unruhe mündet dann auch, gesteigert durch Elijah, in einer ersten ungewöhnlichen Tat. Sie hält die Pläne als Teil ihrer Recherche mit einem Filzstift an ihrer Zimmerwand fest, wobei der erste Plan bezeichnender Weise das Züchten von Showhunden ist. Zwei Motive sind also auffällig, auf der einen Seite die dem Kokain typischer Weise zugeschriebene Provokation eines Aktivitätsdranges, auf der anderen Seite der häufig den Drogen zugeschriebene Bruch mit dem Alltag. So kann das wilde Beschreiben der Zimmerwand als Enthemmung der Alltagskonventionen angesehen werden.
In der zweiten Phase befinden sich Hannah und Elijah bereits in einem Club, auffällig ist jetzt bei beiden der Bewegungsdrang, der sich wie in Abb. 2 deutlich wird in einem ironisch überzeichneten Schauspiel zeigt. Diese Ironie entsteht durch die wilde Bewegung des Oberkörpers bei gleichzeitigen Umklammern einer Halterung mit beiden Händen. Diese Umklammerung verweist darauf, dass sich beide dem Rausch noch nicht ganz hingeben, der Übergang hierzu vollzieht sich erst durch das Betreten der Tanzfläche. In ihrem Gespräch offenbart sich dabei eine weitere klischeehafte Wirkung des Kokains: Beide erfahren eine hohe Steigerung des Selbstbewusstseins, oder (negativ formuliert) eine Verzerrung der Selbstwahrnehmung; sie sind der festen Überzeugung das attraktivste Paar im Club zu sein. Dieses gesteigerte Selbstbewusstsein zeigt sich auch bei Hannahs Weg zur Tanzfläche, wenn sie so gut wie jeden auf ihrem Weg offensiv antanzt. Diese beiden Pole zeigen sich dann auch in Hannahs Tanzstil, der von hoher Aktivität und Selbstberührungen geprägt ist. Des Weiteren schreitet die Herauslösung aus dem Alltag weiter voran, Hannah tauscht mit einem Mann auf der Tanzfläche ihre Kleidung und trägt anschließend ein grell gelbes Netztop. Auch diese Handlung kann als Enthemmung gelesen werden, wenn sie etwa bei Austauschen der Oberteile keine Regungen macht ihren nackten Oberkörper zu verbergen und auch der Kleidertausch mit einer gerade erst gemachten Bekanntschaft wohl nicht wirklich alltäglichen Konventionen entspricht.
Die dritte Phase kann dann als Eskalation dieser Enthemmung gelesen werden. Diese zeigt sich schon bei der Form des erneuten Kokainkonsums: Wie Abb. 3 zeigt schniefen beide die Droge direkt von der Toilettenschüssel, ihre Gesichter sind dabei von einem verzerrten Grinsen geprägt. Ebenso werden ihre Bewegungen auf der Tanzfläche deutlich ausschweifender und erfahren auf der ästhetischen Ebene einen Bruch mit dem konventionellen Inszenierungsstil der Serie. Dieses zeigt sich auf der Tonebene durch die Ausblendung aller intradiegetische Töne, d.h. alle Geräusche wie z.B. Unterhaltungen werden getilgt und wir hören nur (vermutlich extradiegetisch) eingespielte Musik, deren Lautstärke im Vergleich zu der vorherigen Szene deutlich erhöht ist und die sich durch einen dominanten, progressiven Beat auszeichnet. Auch die Kameraeinstellungen sind sichtlich verändert, in Frontalperspektiven wird der Zuschauer mit Großaufnahmen von Hannah und Elijah konfrontiert, verbunden durch harte Schnitte. Gerade hier zeigt sich ein Unterschied zu den restlichen Folgen der Serie, die sich durch wenige Schnitte auszeichnen und sehr selten Nahaufnahmen einsetzen. Die Affekte der Figuren dominieren hier also deutlich die formale Gestaltung, verstärkt wird dieses durch den Einsatz von Zeitlupe. Auch die weiteren Kameraeinstellungen zeichnen sich durch eine hohe Nähe zu den Figuren auf, im Ganzen ist also auffällig, dass die Kamera ihr übliches, dezentes Auftreten hinter sich lässt. Eine mögliche These wäre hier, dass durch diese Art der Gestaltung die körperliche Enthemmung herausgestellt wird.
Die sozusagen geistige Enthemmung folgt dann in Phase vier, die mit einer deutlich unauffälligeren Kamera inszeniert wird. Auch wenn die Körper der beiden Figuren immer deutlich vom Kokaintrip gezeichnet sind (sie sind schweißnass, Kleidung und Frisur sitzen schief etc.), passiert das Interessante hier auf der zwischenmenschlichen Ebene. So beichtet Elijah Hannah, dass er vor kurzem mit ihrer Freundin Marnie geschlafen habe, was insofern irritiert, als dass sich Elijah vor geraumer Zeit als homosexuell outete. Es zeigt sich hier ein weiteres Klischee des Drogenkonsums, Elijah verliert seine Selbstbeherrschung und beichtet das im Alltag unterdrückte Geheimnis. Das Ganze ist drogentypisch inszeniert, da Elijah ausführt, dass er das Gefühle habe jetzt total ehrlich sein zu müssen. Hannah wühlt diese Information sehr auf, sie bekommt Hitzewallungen, woraufhin sie ihren Kopf unter einen Wasserhahn hält (Abb. 4) und anschließend unruhig und hektisch umherläuft.
Es folgt Phase 5, das Ende des Trips. Elijah und Hannah befinden sich in einem Supermarkt, um nach Vitamintabletten zu suchen, Hannah ist immer noch in Rage über die neue Erkenntnis. Elijah regt diese Rage wiederum auf und er wirft Hannah vor egozentrisch zu sein; es wird also deutlich wie die Offenbarung der bisher unterdrückten Spannungen hier eine neue, umfassendere Stufe erreicht. Dieser Streit endet dann wiederum in einer kurzen körperlichen Eskalation: Hannah zieht Elijah für einen Kuss an sich heran, um ihn Sekunden später wieder wegzustoßen (Abb. 5.). Die Offenbarungen gehen dann munter weiter, Hannah sucht Marnie auf, um sie zu konfrontieren bzw. sich grundsätzlich mit ihr auszusprechen. Hiermit ist dann auch das Ende des Trips sowie der Folge erreicht, Hannah wirft Elijah aus der gemeinsamen WG. Interessant ist jedoch noch das Schlussbild der Szene, Hannah küsst ihren Nachbarn Laird, von dem sie das Kokain kaufte und mit dem sie jetzt, wie sie selbst sagt, aus Recherchegründen die Nacht verbringen will.
Abschließend würde ich gerne jedoch noch kurz auf den zweiten Handlungsstrang dieser Folge eingehen, der in meinen Augen eine andere Art des Rausches darstellt. Marnie trifft in diesem den Künstler Booth Jonathan und begleitet ihn in dessen Haus. Dort führt er ihr ein Kunstwerk von sich vor, welches aus einer Art Zelle besteht, die turmartig aufgebaut ist und innen mit Fernsehern ausgestattet ist (Abb. 6). Er schickt Marnie in das Gebilde und schließt sie hier ein, anschließend prasseln aus allen diesen Bildschirmen verschiedene Bilder auf Marnie ein. Sie versucht Booth durch Schreien zum Ausschalten zu bewegen, dieser reagiert jedoch nicht. Auch diese Szene ist formal ungewöhnlich gestaltet, es gibt statische Nahaufnahmen auf Marnie sowie verzerrte und verwackelte Detailaufnahmen der Bildschirme, die durch einen hohen Schnittrhythmus verbunden werden. Nach geraumer Zeit wird Marnie, die sichtlich gezeichnet ist, von Booth freigelassen, woraufhin sie etwas unerwartet sein Talent lobt. In meinen Augen kann hier die Frage aufgeworfen werden, ob es sich parallel zum Kokainrausch hier um eine Art Medienrausch handelt, Marnie wird in den Rausch der Bilder geworfen und erleidet ähnliche Extremzustände wie Hannah und Elijah. In dieser Lesart würden uns also in der Folge zwei Rauscharten begegnen, in denen jeweils die Figuren ihren Alltag hin in Richtung Extremzustände verlassen, was u.a. auf formaler Ebene mit einem Bruch mit den Darstellungskonventionen der Serie korreliert.
Aber zur Inszenierung des Kokainrausches in Girls selbst: Nachdem Hannah, den Themenvorschlag annehmend, die Schwierigkeit des Zugangs zum Kokain mit Hilfe ihres Nachbarn Laird gelöst hat, konsumiert sie mit ihren Mitbewohner Elijah selbiges. Während ihrer Trips durchlaufen beide verschiedene Phasen, deren Zustände durch ihre überzeichnete Inszenierung von üblichen Klischees auffallen.
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Abbildung 1: Beginn der Wirkung. Quelle: Girls (Apatow Production/HBO, USA 2012- ). Zusammenstellung von Henrik Wehmeier. |
Abbildung 1 zeigt Screenshots aus der ersten Phase, Hannah und Elijah beginnen mit dem Konsum bereits am Nachmittag und halten sich entsprechend etwas ziellos in ihrer Wohnung auf. Das Kokain löst jedoch einen enormen Tatendrang in ihnen aus, dieser zeigt sich bei Elijah körperlich in vielen und schnellen Bewegungen, eine Unruhe erfasst ihn, die insbesondere in den platonischen Körperkontakt des Massierens mündet. Bei Hannah hingegen zeigt sich diese Unruhe eher geistig, im schnellen Sprechtempo listet sie eine große Anzahl oft absurd anmutender Pläne auf, die sie jetzt endlich einmal in die Tat umsetzen will. Diese Unruhe mündet dann auch, gesteigert durch Elijah, in einer ersten ungewöhnlichen Tat. Sie hält die Pläne als Teil ihrer Recherche mit einem Filzstift an ihrer Zimmerwand fest, wobei der erste Plan bezeichnender Weise das Züchten von Showhunden ist. Zwei Motive sind also auffällig, auf der einen Seite die dem Kokain typischer Weise zugeschriebene Provokation eines Aktivitätsdranges, auf der anderen Seite der häufig den Drogen zugeschriebene Bruch mit dem Alltag. So kann das wilde Beschreiben der Zimmerwand als Enthemmung der Alltagskonventionen angesehen werden.
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Abbildung 2: Phase zwei des Kokaintrips. Quelle: Girls (Apatow Production/HBO, USA 2012- ). Zusammenstellung von Henrik Wehmeier. |
In der zweiten Phase befinden sich Hannah und Elijah bereits in einem Club, auffällig ist jetzt bei beiden der Bewegungsdrang, der sich wie in Abb. 2 deutlich wird in einem ironisch überzeichneten Schauspiel zeigt. Diese Ironie entsteht durch die wilde Bewegung des Oberkörpers bei gleichzeitigen Umklammern einer Halterung mit beiden Händen. Diese Umklammerung verweist darauf, dass sich beide dem Rausch noch nicht ganz hingeben, der Übergang hierzu vollzieht sich erst durch das Betreten der Tanzfläche. In ihrem Gespräch offenbart sich dabei eine weitere klischeehafte Wirkung des Kokains: Beide erfahren eine hohe Steigerung des Selbstbewusstseins, oder (negativ formuliert) eine Verzerrung der Selbstwahrnehmung; sie sind der festen Überzeugung das attraktivste Paar im Club zu sein. Dieses gesteigerte Selbstbewusstsein zeigt sich auch bei Hannahs Weg zur Tanzfläche, wenn sie so gut wie jeden auf ihrem Weg offensiv antanzt. Diese beiden Pole zeigen sich dann auch in Hannahs Tanzstil, der von hoher Aktivität und Selbstberührungen geprägt ist. Des Weiteren schreitet die Herauslösung aus dem Alltag weiter voran, Hannah tauscht mit einem Mann auf der Tanzfläche ihre Kleidung und trägt anschließend ein grell gelbes Netztop. Auch diese Handlung kann als Enthemmung gelesen werden, wenn sie etwa bei Austauschen der Oberteile keine Regungen macht ihren nackten Oberkörper zu verbergen und auch der Kleidertausch mit einer gerade erst gemachten Bekanntschaft wohl nicht wirklich alltäglichen Konventionen entspricht.
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Abbildung 3: Phase drei: erste Enthemmung. Quelle: Girls (Apatow Production/HBO, USA 2012- ). Zusammenstellung von Henrik Wehmeier. |
Die dritte Phase kann dann als Eskalation dieser Enthemmung gelesen werden. Diese zeigt sich schon bei der Form des erneuten Kokainkonsums: Wie Abb. 3 zeigt schniefen beide die Droge direkt von der Toilettenschüssel, ihre Gesichter sind dabei von einem verzerrten Grinsen geprägt. Ebenso werden ihre Bewegungen auf der Tanzfläche deutlich ausschweifender und erfahren auf der ästhetischen Ebene einen Bruch mit dem konventionellen Inszenierungsstil der Serie. Dieses zeigt sich auf der Tonebene durch die Ausblendung aller intradiegetische Töne, d.h. alle Geräusche wie z.B. Unterhaltungen werden getilgt und wir hören nur (vermutlich extradiegetisch) eingespielte Musik, deren Lautstärke im Vergleich zu der vorherigen Szene deutlich erhöht ist und die sich durch einen dominanten, progressiven Beat auszeichnet. Auch die Kameraeinstellungen sind sichtlich verändert, in Frontalperspektiven wird der Zuschauer mit Großaufnahmen von Hannah und Elijah konfrontiert, verbunden durch harte Schnitte. Gerade hier zeigt sich ein Unterschied zu den restlichen Folgen der Serie, die sich durch wenige Schnitte auszeichnen und sehr selten Nahaufnahmen einsetzen. Die Affekte der Figuren dominieren hier also deutlich die formale Gestaltung, verstärkt wird dieses durch den Einsatz von Zeitlupe. Auch die weiteren Kameraeinstellungen zeichnen sich durch eine hohe Nähe zu den Figuren auf, im Ganzen ist also auffällig, dass die Kamera ihr übliches, dezentes Auftreten hinter sich lässt. Eine mögliche These wäre hier, dass durch diese Art der Gestaltung die körperliche Enthemmung herausgestellt wird.
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Abbildung 4: Phase vier: zwischenmenschliche Eskalation. Quelle: Girls (Apatow Production/HBO, USA 2012- ). Zusammenstellung von Henrik Wehmeier. |
Die sozusagen geistige Enthemmung folgt dann in Phase vier, die mit einer deutlich unauffälligeren Kamera inszeniert wird. Auch wenn die Körper der beiden Figuren immer deutlich vom Kokaintrip gezeichnet sind (sie sind schweißnass, Kleidung und Frisur sitzen schief etc.), passiert das Interessante hier auf der zwischenmenschlichen Ebene. So beichtet Elijah Hannah, dass er vor kurzem mit ihrer Freundin Marnie geschlafen habe, was insofern irritiert, als dass sich Elijah vor geraumer Zeit als homosexuell outete. Es zeigt sich hier ein weiteres Klischee des Drogenkonsums, Elijah verliert seine Selbstbeherrschung und beichtet das im Alltag unterdrückte Geheimnis. Das Ganze ist drogentypisch inszeniert, da Elijah ausführt, dass er das Gefühle habe jetzt total ehrlich sein zu müssen. Hannah wühlt diese Information sehr auf, sie bekommt Hitzewallungen, woraufhin sie ihren Kopf unter einen Wasserhahn hält (Abb. 4) und anschließend unruhig und hektisch umherläuft.
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Abbildung 5: Phase fünf: das Ende. Quelle: Girls (Apatow Production/HBO, USA 2012- ). Zusammenstellung von Henrik Wehmeier. |
Es folgt Phase 5, das Ende des Trips. Elijah und Hannah befinden sich in einem Supermarkt, um nach Vitamintabletten zu suchen, Hannah ist immer noch in Rage über die neue Erkenntnis. Elijah regt diese Rage wiederum auf und er wirft Hannah vor egozentrisch zu sein; es wird also deutlich wie die Offenbarung der bisher unterdrückten Spannungen hier eine neue, umfassendere Stufe erreicht. Dieser Streit endet dann wiederum in einer kurzen körperlichen Eskalation: Hannah zieht Elijah für einen Kuss an sich heran, um ihn Sekunden später wieder wegzustoßen (Abb. 5.). Die Offenbarungen gehen dann munter weiter, Hannah sucht Marnie auf, um sie zu konfrontieren bzw. sich grundsätzlich mit ihr auszusprechen. Hiermit ist dann auch das Ende des Trips sowie der Folge erreicht, Hannah wirft Elijah aus der gemeinsamen WG. Interessant ist jedoch noch das Schlussbild der Szene, Hannah küsst ihren Nachbarn Laird, von dem sie das Kokain kaufte und mit dem sie jetzt, wie sie selbst sagt, aus Recherchegründen die Nacht verbringen will.
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Abbildung 6: Im Rausch der Bilder. Quelle: Girls (Apatow Production/HBO, USA 2012- ). Zusammenstellung von Henrik Wehmeier. |
Mittwoch, 20. Januar 2016
Sprache als Holzweg
Bisher ist der Blog mehr oder minder gefüllt mit konkreten Rauschthematisierungen, ich würde mir mit diesem Post jedoch gerne auch mal (ausnahmsweise) die Freiheit nehmen, über Abstraktes zu sprechen. Der folgende Text ist in dem Sinne eher als ein freies Schweifen der Gedanken zu verstehen; er hängt jedoch maßgeblich mit dem Rausch zusammen, da er eine Frage behandelt, auf die ich beim Rausch immer wieder treffe: Wie weit lässt sich die Grenzerfahrung Rausch in der Sprache abbilden? Kann man vom Rausch sprechen? Oder öffnet er Risse jenseits der Sprache?
Heidegger nennt eine seiner Schriften Holzwege; ich weiß nicht warum er diesen Titel wählte, nicht was in dieser Schrift steht, noch weiß ich woher im Deutschen die sprichwörtliche Bedeutung des Begriffs als Irrweg kommt. Aber ich stelle mir den Holzweg als Bild für die Sprache vor. Ganz konkret gedacht, etwa als hölzener Weg über eine Düne zum Strand. Er passt in unsere Zeit des sehnsuchtsvollen Schauens zum Landleben, zum zurück zur Natur. Wie wir ihn barfuß begehen, seine wohlige Wärme an lauen Sommernächten spüren. Oder seine von der hergewehten Gischt erzeugte, kühlende Feuchtigkeit an heißen Sonnentagen. Wie seine raue, aber geglättete Salzkruste sanft unsere Fußsohlen drückt. Und neben diesem sinnlichen Abwandern führt uns der hölzerne Weg zum Meer, überwinden wir mit ihm die Düne und erhalten einen Blick auf den offen daliegenden Horizont. Mit ihm gelangen wir an das Ende der begehbaren Welt, schreiten leicht erhöht durch die Welt, wie auf einer Aussichtsplattform.
Diese Erhöhung distanziert uns aber zugleich, wir stehen nicht mit den Füßen auf dem Boden. Zwar ist Holz ein natürlicher Stoff, aber für den Weg ist es entwurzelt, zurecht geschlagen, geformt, Kultur geworden. Es enthebt uns minimal dem Sand und der hölzerne Weg führt uns. Geplant, konstruiert und umgesetzt wurde ihm ein Ziel gegeben. Vermutet als die beste und kürzeste Strecke direkt zum Meer, zum Horizont. So haben wir ein Ziel; und einen Ausgangspunkt, einen Weg vor und zurück. Er ermöglicht Rückkehr und gemeinschaftliches Gehen. Würden wir im Sand gehen, würden unsere Fußspuren vom Wind, vom Meer getilgt werden. Irgendwo, wohl dissonant, hallt hier Foucaults Bild nach, vom Verschwinden des Menschen wie am Meeresufer ein Gesicht im Sand. Ohne den Holzweg bliebe nur Vergessen.
Das konstruierte Holz wurde schon verkannt, am berühmtesten wohl als trojanisches Pferd. Die Trojaner verkannten seine zielgerichtete Konstruktion, im dionysischen Siegestaumel wurde es ihr Verhängnis. Odysseus überschätze die Konstruktion, ohne Götterdank verlor er den Weg. Wie ein trojanisches Pferd schieben wir die Sprache in die Welt. Müssen wir also den Göttern danken? Vielleicht wäre der Dank ein Holzweg in den Horizont, vielleicht reicht schon das Kribbeln der Fußsohlen als Antrieb weiter voran und das Wissen um die mögliche Rückkehr.
Heidegger nennt eine seiner Schriften Holzwege; ich weiß nicht warum er diesen Titel wählte, nicht was in dieser Schrift steht, noch weiß ich woher im Deutschen die sprichwörtliche Bedeutung des Begriffs als Irrweg kommt. Aber ich stelle mir den Holzweg als Bild für die Sprache vor. Ganz konkret gedacht, etwa als hölzener Weg über eine Düne zum Strand. Er passt in unsere Zeit des sehnsuchtsvollen Schauens zum Landleben, zum zurück zur Natur. Wie wir ihn barfuß begehen, seine wohlige Wärme an lauen Sommernächten spüren. Oder seine von der hergewehten Gischt erzeugte, kühlende Feuchtigkeit an heißen Sonnentagen. Wie seine raue, aber geglättete Salzkruste sanft unsere Fußsohlen drückt. Und neben diesem sinnlichen Abwandern führt uns der hölzerne Weg zum Meer, überwinden wir mit ihm die Düne und erhalten einen Blick auf den offen daliegenden Horizont. Mit ihm gelangen wir an das Ende der begehbaren Welt, schreiten leicht erhöht durch die Welt, wie auf einer Aussichtsplattform.
Diese Erhöhung distanziert uns aber zugleich, wir stehen nicht mit den Füßen auf dem Boden. Zwar ist Holz ein natürlicher Stoff, aber für den Weg ist es entwurzelt, zurecht geschlagen, geformt, Kultur geworden. Es enthebt uns minimal dem Sand und der hölzerne Weg führt uns. Geplant, konstruiert und umgesetzt wurde ihm ein Ziel gegeben. Vermutet als die beste und kürzeste Strecke direkt zum Meer, zum Horizont. So haben wir ein Ziel; und einen Ausgangspunkt, einen Weg vor und zurück. Er ermöglicht Rückkehr und gemeinschaftliches Gehen. Würden wir im Sand gehen, würden unsere Fußspuren vom Wind, vom Meer getilgt werden. Irgendwo, wohl dissonant, hallt hier Foucaults Bild nach, vom Verschwinden des Menschen wie am Meeresufer ein Gesicht im Sand. Ohne den Holzweg bliebe nur Vergessen.
Das konstruierte Holz wurde schon verkannt, am berühmtesten wohl als trojanisches Pferd. Die Trojaner verkannten seine zielgerichtete Konstruktion, im dionysischen Siegestaumel wurde es ihr Verhängnis. Odysseus überschätze die Konstruktion, ohne Götterdank verlor er den Weg. Wie ein trojanisches Pferd schieben wir die Sprache in die Welt. Müssen wir also den Göttern danken? Vielleicht wäre der Dank ein Holzweg in den Horizont, vielleicht reicht schon das Kribbeln der Fußsohlen als Antrieb weiter voran und das Wissen um die mögliche Rückkehr.
Mittwoch, 19. August 2015
Disturbed "Fire it up"
In zwei Tagen erscheint das neue Studioalbum Immortalized der amerikanischen Band Disturbed, welches mit dem Song "Fire It Up" ein Lied über den Konsum von Marihuana enthält (s.u.). Ich muss gestehen, dass ich selber nicht erwartet hätte, diese Band jemals im Kontext von Drogenthematiken zu erwähnen. So gehört Disturbed zu den bekanntesten Metalabands der letzten zwei Jahrzehnte, man kann sie grob im Nu Metal verorten (Wikilink zu Nu Metal). Grundsätzlich scheint es mir, dass in der Metalszene das Thema Drogen eher selten angesprochen wird. So gibt es natürlich das typische Rockstarklischee des trinkenden und alle Arten von Drogen konsumierenden Musikers. Typisch hierfür ist bspw. eine Aussage von Motörheads Lemmy, der vor kurzem auf Spiegel Online äußerte, dass er damals (ganz selbstverständlich) "mit allem herumexperimentiert [habe], was so zu bekommen war." (Quelle). Etwas weiter im Interview führt er dann aber auch aus, dass er heutzutage nur noch Alkohol konsumieren würde. Die alterenden Rockstars haben sich also in diesem Sinne professionalisiert.
Diese Professionalisierung scheint mir in der Subszene des Metals noch deutlicher ausgeprägt zu sein. Die aktuellen Metalbands haben wenig mit den Rockstars der 60er bis 80er gemein. So fällt mir auch spontan kein Metallied ein, welches sich explizit mit dem Drogenkonsum beschäftigt und schon gar nicht eine Hymne auf eine Droge wie "Fire It Up" darstellt. Auf der einen Seite hängt das natürlich mit dem Vorurteil der eher düsteren, oft martialischen Lyrics zusammen. Beispielhaft dafür ein Auszug aus Disturbeds vermutlich bekanntesten Liedes "Down with the Sickness": "The world is a scary place / Now that you've woken up the demon ( In me!! )" (Video). Dieser Auszug ist natürlich verzerrend, ich will hier keineswegs die Vorurteile über Metallyrics noch weiter verstärken. Dennoch zeigt sich auf den ersten Blick doch eine gewisse Diskrepanz zum Musikgenre des Reggaes, das zu allererst mit Marihuana assoziiert wird.
Auf der anderen Seite habe ich wie schon angedeutet das Gefühl, dass in der Metalszene der Drogenkonsum eher verschwiegen wird. So wird der Alkoholkonsum zelebriert, andere Drogen sind jedoch nicht präsent. Deutlich werden sie erst, wenn wieder ein Musiker an Drogenkonsum stirbt. Die letzten beiden prominenten Beispielen hierfür waren Paul Gray von Slipknot sowie Wayne Static von Static-X, die beide (mutmaßlich) direkt bzw. indirekt am Drogenkonsum gestorben sind (Quellen zu den Todesursachen von Paul Gray und Wayne Static). Hierdurch bleibt jedoch unklar, wie verbreitet der Drogenkonsum in der Metalszene wirklich ist: Sind Paul Gray und Wayne Static Ausnahmen oder Stereotypen von Metalmusikern? Wie sieht es auf Seiten der Fans aus? Ich hoffe, dass ich noch einmal an anderer Stelle die Metallyrics wie auch die Szene selbst tiefer in den Blick nehmen kann, um Fragen wie diese zu untersuchen. An dieser Stelle bleibt es jedoch bei diesen losen Mutmaßungen, ich würde mich stattdessen abschließend lieber den Lyrics von "Fire It Up" zu wenden.
Der Song beginnt mit den typischen Geräuschen einer blubbernden Bong, bevor die Instrumente und anschließend der Gesang einsetzen. Der Text des Liedes ist im Ganzen sehr einfach gehalten. Im Form eines Parallelismus formuliert das lyrische Ich Konditionalsätze in den Strophen, um auszudrücken, wann es Marihuana konsumiert. Dass es sich um den Konsum mit Marihuana handelt, wird dabei nicht explizit erwähnt. Es lässt sich jedoch aus dem Text erschließen, der somit zugleich auf die verbreiteten Stereotypen der Wirkung von Graskonsum verweist.
So teilen sich die Ziele des Konsums in den Lyrics in zwei thematische Gruppen auf. Auf der einen Seite soll er den künstlerischen Prozess erleichtern. Hier fallen Begriffe wie "inspiration", "illumination" und "other side", um die das lyrische Ich die Substanz gewissermaßen bittet. Dem Marihuana wird also eine besondere Wahrnehmungsqualität zu gestanden, es würde Erlebnisse jenseits der Alltagserfahrungen ermöglichen und damit produktiv auf das künstlerische Arbeiten einwirken. Wichtig aber hier, dass das Gras nicht als ursächlich angesehen wird, sondern lediglich als Hilfsmittel: "So the rhythm can / No longer run and hide." Das Künstler-Ich bleibt der Schöpfer der Kunst, die Droge assistiert ihm lediglich, erleichtert aber seinen Prozess, wie der hymnische Text gewissermaßen selbst beweist.
Die andere thematische Gruppe der Wirkweisen ist eher profan. In diesen Strophen preist das lyrische Ich eher irdische Qualitäten wie "relaxation", "rejuvenation" und "serenity". Hier tritt also deutlich das etablierte Bild des entspannten Kiffers hervor, der die Droge als Entspannung zum Ausgleich des Alltags konsumiert.
Im Ganzen ist auffällig, wie sehr Marihuana hier angepriesen wird. Negative Wirkungen werden nicht einmal im Ansatz beschrieben. Dieses macht in meinen Augen auch das ungewöhnliche des Liedes aus: Mir fällt kein anderes Lied mit harten Gitarrenriffs und stampfenden Drums ein, dass textlich eine klare Marihuanahymne darstellt. Und von Disturbed hätte man es wohl auch kaum erwartet. Die Band scheint sich selbst diesem Umstands klar zu sein, sodass im Video permanent Hanfpflanzen auftauchem, um sicherzugehen, dass sie auch wirklich über Marihuana singen - und in diese Richtung scheint mir auch die Funktion des Bonggeräusches am Anfang des Liedes zu gehen. Ein möglicher Grund dafür, warum Disturbed auf einmal so offensiv mit dem Thema Drogen umgeht, könnte in meinen Augen die gewandelte Stimmung in den USA sein, in denen Marihuana mittlerweile in einer Reihe von Bundesstaaten legalisiert ist. Es gibt also keinen Grund mehr, zumindest in diesen Staaten auf Insidermetaphern oder versteckte Anspielungen zurückzugreifen.
Diese Professionalisierung scheint mir in der Subszene des Metals noch deutlicher ausgeprägt zu sein. Die aktuellen Metalbands haben wenig mit den Rockstars der 60er bis 80er gemein. So fällt mir auch spontan kein Metallied ein, welches sich explizit mit dem Drogenkonsum beschäftigt und schon gar nicht eine Hymne auf eine Droge wie "Fire It Up" darstellt. Auf der einen Seite hängt das natürlich mit dem Vorurteil der eher düsteren, oft martialischen Lyrics zusammen. Beispielhaft dafür ein Auszug aus Disturbeds vermutlich bekanntesten Liedes "Down with the Sickness": "The world is a scary place / Now that you've woken up the demon ( In me!! )" (Video). Dieser Auszug ist natürlich verzerrend, ich will hier keineswegs die Vorurteile über Metallyrics noch weiter verstärken. Dennoch zeigt sich auf den ersten Blick doch eine gewisse Diskrepanz zum Musikgenre des Reggaes, das zu allererst mit Marihuana assoziiert wird.
Auf der anderen Seite habe ich wie schon angedeutet das Gefühl, dass in der Metalszene der Drogenkonsum eher verschwiegen wird. So wird der Alkoholkonsum zelebriert, andere Drogen sind jedoch nicht präsent. Deutlich werden sie erst, wenn wieder ein Musiker an Drogenkonsum stirbt. Die letzten beiden prominenten Beispielen hierfür waren Paul Gray von Slipknot sowie Wayne Static von Static-X, die beide (mutmaßlich) direkt bzw. indirekt am Drogenkonsum gestorben sind (Quellen zu den Todesursachen von Paul Gray und Wayne Static). Hierdurch bleibt jedoch unklar, wie verbreitet der Drogenkonsum in der Metalszene wirklich ist: Sind Paul Gray und Wayne Static Ausnahmen oder Stereotypen von Metalmusikern? Wie sieht es auf Seiten der Fans aus? Ich hoffe, dass ich noch einmal an anderer Stelle die Metallyrics wie auch die Szene selbst tiefer in den Blick nehmen kann, um Fragen wie diese zu untersuchen. An dieser Stelle bleibt es jedoch bei diesen losen Mutmaßungen, ich würde mich stattdessen abschließend lieber den Lyrics von "Fire It Up" zu wenden.
Der Song beginnt mit den typischen Geräuschen einer blubbernden Bong, bevor die Instrumente und anschließend der Gesang einsetzen. Der Text des Liedes ist im Ganzen sehr einfach gehalten. Im Form eines Parallelismus formuliert das lyrische Ich Konditionalsätze in den Strophen, um auszudrücken, wann es Marihuana konsumiert. Dass es sich um den Konsum mit Marihuana handelt, wird dabei nicht explizit erwähnt. Es lässt sich jedoch aus dem Text erschließen, der somit zugleich auf die verbreiteten Stereotypen der Wirkung von Graskonsum verweist.
So teilen sich die Ziele des Konsums in den Lyrics in zwei thematische Gruppen auf. Auf der einen Seite soll er den künstlerischen Prozess erleichtern. Hier fallen Begriffe wie "inspiration", "illumination" und "other side", um die das lyrische Ich die Substanz gewissermaßen bittet. Dem Marihuana wird also eine besondere Wahrnehmungsqualität zu gestanden, es würde Erlebnisse jenseits der Alltagserfahrungen ermöglichen und damit produktiv auf das künstlerische Arbeiten einwirken. Wichtig aber hier, dass das Gras nicht als ursächlich angesehen wird, sondern lediglich als Hilfsmittel: "So the rhythm can / No longer run and hide." Das Künstler-Ich bleibt der Schöpfer der Kunst, die Droge assistiert ihm lediglich, erleichtert aber seinen Prozess, wie der hymnische Text gewissermaßen selbst beweist.
Die andere thematische Gruppe der Wirkweisen ist eher profan. In diesen Strophen preist das lyrische Ich eher irdische Qualitäten wie "relaxation", "rejuvenation" und "serenity". Hier tritt also deutlich das etablierte Bild des entspannten Kiffers hervor, der die Droge als Entspannung zum Ausgleich des Alltags konsumiert.
Im Ganzen ist auffällig, wie sehr Marihuana hier angepriesen wird. Negative Wirkungen werden nicht einmal im Ansatz beschrieben. Dieses macht in meinen Augen auch das ungewöhnliche des Liedes aus: Mir fällt kein anderes Lied mit harten Gitarrenriffs und stampfenden Drums ein, dass textlich eine klare Marihuanahymne darstellt. Und von Disturbed hätte man es wohl auch kaum erwartet. Die Band scheint sich selbst diesem Umstands klar zu sein, sodass im Video permanent Hanfpflanzen auftauchem, um sicherzugehen, dass sie auch wirklich über Marihuana singen - und in diese Richtung scheint mir auch die Funktion des Bonggeräusches am Anfang des Liedes zu gehen. Ein möglicher Grund dafür, warum Disturbed auf einmal so offensiv mit dem Thema Drogen umgeht, könnte in meinen Augen die gewandelte Stimmung in den USA sein, in denen Marihuana mittlerweile in einer Reihe von Bundesstaaten legalisiert ist. Es gibt also keinen Grund mehr, zumindest in diesen Staaten auf Insidermetaphern oder versteckte Anspielungen zurückzugreifen.
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