Mittwoch, 20. Januar 2016

Sprache als Holzweg

Bisher ist der Blog mehr oder minder gefüllt mit konkreten Rauschthematisierungen, ich würde mir mit diesem Post jedoch gerne auch mal (ausnahmsweise) die Freiheit nehmen, über Abstraktes zu sprechen. Der folgende Text ist in dem Sinne eher als ein freies Schweifen der Gedanken zu verstehen; er hängt jedoch maßgeblich mit dem Rausch zusammen, da er eine Frage behandelt, auf die ich beim Rausch immer wieder treffe: Wie weit lässt sich die Grenzerfahrung Rausch in der Sprache abbilden? Kann man vom Rausch sprechen? Oder öffnet er Risse jenseits der Sprache?

Heidegger nennt eine seiner Schriften Holzwege; ich weiß nicht warum er diesen Titel wählte, nicht was in dieser Schrift steht, noch weiß ich woher im Deutschen die sprichwörtliche Bedeutung des Begriffs als Irrweg kommt. Aber ich stelle mir den Holzweg als Bild für die Sprache vor. Ganz konkret gedacht, etwa als hölzener Weg über eine Düne zum Strand. Er passt in unsere Zeit des sehnsuchtsvollen Schauens zum Landleben, zum zurück zur Natur. Wie wir ihn barfuß begehen, seine wohlige Wärme an lauen Sommernächten spüren. Oder seine von der hergewehten Gischt erzeugte, kühlende Feuchtigkeit an heißen Sonnentagen. Wie seine raue, aber geglättete Salzkruste sanft unsere Fußsohlen drückt. Und neben diesem sinnlichen Abwandern führt uns der hölzerne Weg zum Meer, überwinden wir mit ihm die Düne und erhalten einen Blick auf den offen daliegenden Horizont. Mit ihm gelangen wir an das Ende der begehbaren Welt, schreiten leicht erhöht durch die Welt, wie auf einer Aussichtsplattform.
Diese Erhöhung distanziert uns aber zugleich, wir stehen nicht mit den Füßen auf dem Boden. Zwar ist Holz ein natürlicher Stoff, aber für den Weg ist es entwurzelt, zurecht geschlagen, geformt, Kultur geworden. Es enthebt uns minimal dem Sand und der hölzerne Weg führt uns. Geplant, konstruiert und umgesetzt wurde ihm ein Ziel gegeben. Vermutet als die beste und kürzeste Strecke direkt zum Meer, zum Horizont. So haben wir ein Ziel; und einen Ausgangspunkt, einen Weg vor und zurück. Er ermöglicht Rückkehr und gemeinschaftliches Gehen. Würden wir im Sand gehen, würden unsere Fußspuren vom Wind, vom Meer getilgt werden. Irgendwo, wohl dissonant, hallt hier Foucaults Bild nach, vom Verschwinden des Menschen wie am Meeresufer ein Gesicht im Sand. Ohne den Holzweg bliebe nur Vergessen.
Das konstruierte Holz wurde schon verkannt, am berühmtesten wohl als trojanisches Pferd. Die Trojaner verkannten seine zielgerichtete Konstruktion, im dionysischen Siegestaumel wurde es ihr Verhängnis. Odysseus überschätze die Konstruktion, ohne Götterdank verlor er den Weg. Wie ein trojanisches Pferd schieben wir die Sprache in die Welt. Müssen wir also den Göttern danken? Vielleicht wäre der Dank ein Holzweg in den Horizont, vielleicht reicht schon das Kribbeln der Fußsohlen als Antrieb weiter voran und das Wissen um die mögliche Rückkehr.

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