Donnerstag, 3. März 2016

Five Finger Death Punch "My Nemesis"

Vor kurzem behandelte ich ein Musikvideo der Band Disturbed, welches unter dem Titel "Fire it up" eine Lobeshymne auf Marihuana darstellte. In diesem Beitrag geht es erneut um ein Heavy Metal Musikvideo über Drogen, Five Finger Death Punch kommen in ihrem Musikvideo zu "My Nemesis" (Regie: Nick Peterson, 2016, Video weiter unten) jedoch zu einer deutlich anderen Beurteilung des Drogenkonsums. Textlich handelt der Song dabei von einem Moment des Aufbruchs, das lyrische Ich zelebriert seine eigene Befreiung: "I'm leaving behind this world / And all the things I am / I'm tearing away from it / Because I know I can" (Quelle). Dieser Neuanfang geht mit einem Bruch von etwas einher, das im Verlauf des Textes näher umzeichnet wird. So spricht das lyrische Ich ein unbekanntes Du an, von dem es sich befreien möchte. Die Betitelung dieses Dus mit "My Nemesis" lässt dabei offen, ob es sich um eine wirklich Person oder nur um ein innerliches psychisches Moment wie die eigene Angst handelt. In jeden Fall wird dieses Du entschieden angeprangert und in seiner einsperrenden Funktion beschrieben: "I gave you everything / And in return / You gave me nothing / Show me a sign / Please give me anything / I will not hide from what's inside of me / My nemesis / I'm turning away from me" (Quelle).
Die destruktive Macht wird dabei als alles verschlingend beschrieben, ohne je etwas zuzurückzugeben. Diese Charakterisierung impliziert eine Nähe zur Drogenthematik. So werden Drogen oft als eine Kraft beschrieben, die die Energie eines ganzen Lebens aufsaugen kann, ohne diesem Leben eine Gegenleistung zu bringen. Am deutlichsten sicherlich im Bild des Junkies, der seine ganzes Leben auf die Suche nach dem nächsten Schuss konzentiert. Entscheidend hier das Motiv der Sucht, die dem Rausch alle positive Konnotation raubt und ihn zum Gefängnis werden lässt.
Im Musikvideo wird diese Nähe zur Drogenthematik nun anhand von drei Handlungssträngen expliziert:
Abbildung 1: Beginn. Quelle: Five Finger Death Punch: "My Nemesis" Regie: Nick Peterson, 2016. Zusammenstellung Henrik Wehmeier.
Wie Abb. 1 zeigt ist jeder der drei Handlungsstränge mit einer Drogenart verknüpft. Im ersten geht es um einen Alkoholiker, der seinen Sohn regelmäßig verprügelt. Im zweiten um eine Mutter, die Heroin abhängig ist und ihre Tochter vernachlässigt. Und im dritten Handlungsstrang um einen Vater, dessen Sohn durch Marihuanakonsum in eine Antriebslosigkeit verfällt. Diese Handlungen sind allesamt nur angedeutet im Musikvideo, ihre Verbindung ist jedoch die textlich beschrieben Bewegung hin zur Freiheit. Interessanter Weise rücken jedoch nicht die Drogenkonsumenten in den Fokus, die bspw. gegen ihre Sucht ankämpfen, sondern vielmehr die Angehörigen der Drogensüchtigen, die indirekt unter der Sucht leiden. Die "Nemesis" findet sich also im zweifachen Sinne, erstens im konkreten drogensüchtigen Angehörigen und zweitens in der Drogensucht.
Alle drei Personen, also die beiden Kinder und der Vater, folgen im gewissen Sinne der Aussage des Textes, sie brechen aus ihrem belastenden Alltag aus und brechen folglich ganz konkret mit dem drogensüchtigen Angehörigen. Dieses stellt für alle eine schmerzhafte Erfahrung dar, die beiden Kinder werden obdachlos und müssen versuchen auf der Straße zu überleben, der Vater sucht das Grab seiner verstorbenen Ehefrau auf und muss erkennen, dass er mit dem Versuch, seinen Sohn alleine zu erziehen, gescheitert ist. Der Drogenrausch wird also nur als Sucht aufgefasst, als zerstörerische Kraft, die die soziale Bindung der Familie auflöst und auch die nur indirekt von der Sucht Betroffenen in existentielle Nöte stürzt. Der Unterschied zu Disturbeds Hymne ist hier signifikant: Preiste dieses Lied Marihuana als Quelle der Inspiration, ist es im Musikvideo von Five Finger Death Punch durchweg negativ konnotiert. Es raubt dem Video zufolge Jugendlichen die Kraft, ihr Leben zu gestalten, und führt zum Bruch mit der Familie.
Das Musikvideo zeichnet dabei ein oft pessimistisches Bild. So verlaufen die Leben der ausgebrochenen Personen schlecht, Hoffnung keimt nur gegen Ende auf, wenn sich zwei der Handlungsstränge kreuzen. Die beiden geflüchteten Kinder begegnen einander, wobei der Junge das Mädchen vor einem Übergriff durch einen aggressiven Mann schützt. Anschließend sieht man sie gemeinsam am Strand dem Sonnenuntergang entgegen laufen. Hoffnung will aber auch hier nur bedingt aufkommen, trennt sich letztlich der Weg beider am Strand doch wieder. Zugleich strömen immer mehr Personen auf den Strand, die ebenso auf der Flucht zu sein scheinen.
Auch die Leben der Drogensüchtigen verlaufen weiter düster. So keimt beim Marihuanasüchtigen Sohn kurz Hoffnung auf, ein Freund will ihn motivieren, einen Job zu suchen. Es scheint jedoch nur darum zu gehen, Geld für den Kauf weiterer Drogen zu beschaffen. Ansonsten wird diese Erzählung nicht weiter verfolgt, eine positive Aussicht auf Veränderung ist also nicht in Sicht. Komplexer gestaltet sich die Erzählung um die heroinsüchtige Mutter:
Abbildung 2: Entzug. Quelle: Five Finger Death Punch: "My Nemesis" Regie: Nick Peterson, 2016. Zusammenstellung Henrik Wehmeier.
Wie in Abb. 2 zu sehen beginnt die Mutter mit einem kalten Entzug. Ästhetisch auffällig ist dabei die sehr körperlich orientierte Inszenierung, die durch oft nahe Aufnahmen in Szene gesetzt wird. Dieses beginnt bereits bei der Markierung der Sucht durch die Detailaufnahme auf die Einstichlöcher der Arme. Zur Entfaltung kommt diese körperliche Dimension dann aber im Entzug, wir sehen den krampfhaft verzerrten Körper, dessen Magen sich vor Hunger zusammenzieht, gleichzeitig aber durch einen starken Brechreiz keine Nahrung zu sich nehmen kann. Ebenso sehen wir das schmerzvoll entstellte Gesicht, in einer Großaufnahme wird der ganze Schrecken des kalten Entzugs ausgestellt. Auffällig ist also die Drastik der Darstellung, die an Entzugsszenen gesellschaftskritischer Drogenfilme erinnert. Die Ausstellung des geschundenen Körpers soll dabei mutmaßlich zum affektiven Mitleiden und zur Abschreckung dienen. Trotz des Entzugs bleibt die Aussicht aber auch hier getrügt, wie Abb. 2 präsentiert sehen wir zwar die Mutter in die goldene Abendsonne blickend, suggeriert die Szene also ein kommendes Morgen. Demgegenüber steht allerdings die darsgestellte Handlung der Szene: Die Mutter verfasst Briefe, die sich aber letztlich nur auf dem Tisch stapeln, da die obdachlose Tochter nicht zu erreichen ist. Die Kommunikationsmöglichkeit ist also endgültig abgerissen, die Chancen auf eine Wiedervereinigung der Familie sind denkbar schlecht.
Damit bin ich bei dem Abschlussbild des Musikvideos:
Abbildung 3: Ende. Quelle: Five Finger Death Punch: "My Nemesis" Regie: Nick Peterson, 2016. Zusammenstellung Henrik Wehmeier.
Wie geschildert sammeln sich andere Geflüchtete am Strand. Dabei wird ein Satz eingeblendet, der auf die sich einstellende Trauer verweist, wenn man die letzte Chance vertan hat, jemanden zu helfen. Diesen Satz könnte man so deuten, dass für die drei diegetischen Handlungsstränge keine Hoffnung mehr besteht. Die einzige Hoffnung ist vielmehr, dass sie für den Zuschauer ein abschreckendes, zum Umdenken motivierendes Beispiel darstellen. Das wäre nun aber eine sehr moralische Lesart, die ich hier nur als ein Angebot der Lesart anbieten möchte.